Zum Hauptinhalt springen
Sahra Wagenknecht im Interview © APA/Georg HochmuthFoto: APA/Georg Hochmuth

Mietenirrsinn stoppen!

Im Wortlaut von Sahra Wagenknecht, Frankfurter Rundschau,

Kolumne von Sahra Wagenknecht in der Frankfurter Rundschau


Wer Wohnen als Menschenrecht durchsetzen will, muss sich mit Immobilienhaien anlegen und der Spekulation den Boden entziehen.

Nirgendwo ist die Politik der sozialen Spaltung spürbarer als auf dem Wohnungsmarkt. Während 11,2 Millionen Menschen mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete abdrücken müssen, sind die reichsten zehn Prozent durch den Immobilienboom der letzten zehn Jahre um 1,5 Billionen Euro reicher geworden. Vor allem die Grundstückspreise sind vielerorts explodiert, was die Preise für Neubauten in die Höhe treibt. Gleichzeitig schrumpfen die Bestände an preisgünstigem Wohnraum, denn in den letzten 20 Jahren wurden hunderttausende Wohnungen privatisiert, die Zahl der Sozialwohnungen hat sich halbiert, noch immer verschwinden täglich über 70 Sozialwohnungen vom Markt.

Selbst wer gut verdient, findet in einigen Städten keine bezahlbare Wohnung mehr. Zwischen 2008 und 2018 sind die Angebotsmieten deutschlandweit um 39 Prozent gestiegen, in Berlin haben sie sich sogar knapp verdoppelt. Erst mit dem Mietendeckel gelang es im letzten Jahr, den Trend zu steigenden Mieten in der Hauptstadt umzukehren. Doch dieser Deckel wurde nach einer Klage von Union und FDP durch das Bundesverfassungsgericht mit Verweis auf die (angeblich) fehlende Landeskompetenz in der Wohnungspolitik gekippt. Damit liegt der Ball nun beim Bund, wo mit den Wahlen am 26. September die Weichen in der Wohnungspolitik hoffentlich neu gestellt werden.

Die Immobilienlobby, die in diesem Jahr besonders üppige Großspenden an Union und FDP verteilt hat, will aus der Wohnungsnot weiter ihren Profit ziehen. Doch wer Wohnen als Menschenrecht durchsetzen will, muss sich mit Immobilienhaien anlegen und der Spekulation den Boden entziehen. Diese Spekulation wird seit Jahren durch sogenannte „Share Deals“ angeheizt, mit denen sich ausgerechnet große Immobilienkonzerne um die Grunderwerbssteuer drücken – dabei dürfte es Steuerbefreiungen nur für gemeinnützig orientierte Wohnungsunternehmen beziehungsweise Vermieter geben!

Man kann den Wohnungsbau nicht länger dem Markt überlassen – es braucht eine öffentliche Investitionsoffensive zur Schaffung von dauerhaft günstigen Mietwohnungen und zur Übernahme von Immobilienbeständen und Grundstücken durch Kommunen und Genossenschaften. Vor allem braucht es einen bundesweiten Mietendeckel, um den Mietenwahnsinn zu stoppen.

Frankfurter Rundschau,