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Mehr Transparenz allein reicht nicht

Im Wortlaut von Axel Troost,

Niedrige Staats- und Konsumnachfrage verstärkt Spekulation an Finanzmärkten

Die US-Hypothekenkrise hat globale Turbulenzen auf den Finanzmärkten ausgelöst. Wie konnte es dazu kommen? Und vor welchen Herausforderungen steht die Politik? Heute berät darüber auf einer Sondersitzung der Bundestags-Finanzausschuss.

Im Kern ist die US-Hypothekenkrise eine regionale Spekulationskrise: Mit »Subprime«-Krediten an Menschen mit geringer Bonität haben die US-Banken faktisch auf steigende Immobilienpreise spekuliert: Falls ein Kreditnehmer nicht mehr zahlen konnte, kam die Bank per Zwangsversteigerung der - inzwischen wertvolleren - Wohnung auf ihre Kosten. Mit Abbröckeln des Immobilienbooms konnte diese Strategie nicht mehr aufgehen, die US-Hypothekenkrise war da.

Solche finanziellen Boom- und Krisenphasen sind grundsätzlich Element kapitalistischer Ökonomien, so die These von Finanz-Keynesianern in der Tradition Hyman Minskys. Das Grundmuster: Übersteigerte optimistische Erwartungen von Unternehmen und Anlegern, steigende Vermögenspreise sowie eine zunehmende Verschuldung lassen die Finanzstrukturen instabil werden. Dann kann bereits ein relativ unbedeutendes Ereignis etliche Unternehmen und Anleger in Zahlungsschwierigkeiten bringen - wie im aktuellen Fall eine seit Längerem erwartete Zinserhöhung und ein Abbröckeln der Immobilienpreise. Kredite müssen abgeschrieben werden, weswegen Banken weniger Darlehen vergeben und eine »Kreditklemme« droht. Um sich vor der Zahlungsunfähigkeit zu retten, verkaufen die Betroffenen zudem Finanztitel - auch solche, die von der ursprünglichen Krise gar nicht betroffen sind und die werthaltig sind. Dadurch kann eine begrenzte Krise zu einer umfassenden Finanzkrise werden: Entsteht ein allgemeines Überangebot an Finanztiteln und sinken deren Preise drastisch, sind auch von der ursprünglichen Krise völlig unbeteiligte Anleger betroffen. Zudem müssen die Akteure immer mehr Finanztitel verkaufen, weil deren Stückwert sinkt - eine Krisen-Spirale entsteht.

Massenhafter Verkauf von Finanztiteln

So weit ist es in Europa aktuell nicht gekommen. Auch ist nicht klar, ob und wie Konjunktur und Beschäftigung hierzulande betroffen sein werden. Business as usual ist dennoch nicht angesagt: An den Märkten geht immer noch die Angst vor einer Krisen-Spirale um, weil in US-Hypothekengeschäfte verwickelte Hedge-Fonds möglicherweise massenhaft Finanztitel verkaufen müssen, wie das »Handelsblatt« berichtet. Zudem ist die US-Hypothekenkrise ihrem Grundmuster nach zwar altbekannt, drei spezifische Phänomene aber stellen die Politik vor aktuelle Herausforderungen. Diese lassen sich nicht einfach mit mehr Transparenz und besseren Bilanz-Regeln beantworten, wie Finanzminister Peer Steinbrück in der heutigen Sondersitzung des Finanzausschusses voraussichtlich erklären wird.

Die Hypothekenkrise hat sich über Ketten von Kredit-Weiterverkäufen ausgebreitet, die in den letzten Jahren entstanden sind und mit denen Banken-Regulierungsvorschriften umgangen werden. US-Banken haben Kredite an ausgelagerte Gesellschaften weitergereicht, die diese zu Wertpapieren gebündelt und weiterverkauft haben. Käufer waren Fonds, Privatpersonen oder andere Banken, die die Kredit-Wertpapiere wiederum in ausgelagerten Gesellschaften gehalten haben - wie die IKB oder die Landesbank Sachsen. Für die ausgelagerten Gesellschaften und für Fonds gelten nicht die Eigenkapital-Mindestvorschriften für Banken (»Basel II«). Daher müssen bei aller berechtigten Kritik an der konkreten Ausformung von »Basel II« die ausgelagerten Gesellschaften unter Mindestkapital-Vorschriften fallen. Das wäre ein erster Schritt zu einer notwendigen Regulierung weiterer Finanzakteure, u.a. von Hedge-Fonds.

Zweitens waren öffentliche Banken massiv an Geschäften mit riskanten Kredit-Papieren beteiligt. Aufgabe von Banken mit Gemeinwohl-Auftrag wäre aber gerade das Gegenteil - nämlich ihre Geschäfte auf die Finanzierung regionalpolitisch wichtiger Investitionen zu konzentrieren. Dann wären sie relativ unabhängig von internationalen Finanzturbulenzen und könnten Unternehmen im Falle einer krisenbedingten »Kreditklemme« bei privaten Banken mit Kredit versorgen. Genau diese Ausrichtung muss den öffentlichen Banken vorgegeben werden.

Deutsche Politik macht die Konjunktur anfällig

Und drittens trifft die US-Hypothekenkrise die deutsche Konjunktur in einem Moment, in dem sich der Aufschwung abzuschwächen droht - aufgrund einer nach wie vor unzureichenden Inlandsnachfrage. »Wenn es Rezessionsgefahren in den USA gibt, müssten wir uns eigentlich auf die eigene Konsumnachfrage verlassen«, zitiert die »Financial Times« einen Finanz-Analysten. Dies sei bislang nicht möglich, die Mehrwertsteuererhöhung bleibe eine Hypothek für das deutsche Wachstum. Grundsätzlich formuliert: Die bundesdeutsche Wirtschaftspolitik - aggressive Exportorientierung, Umverteilung von unten nach oben sowie niedrige Staats- und Konsumnachfrage - ist es, die die Konjunktur schwächt und sie anfälliger für Folgen internationaler Krisen macht. Gleichzeitig befördert genau diese Wirtschaftspolitik Finanzturbulenzen, weil sie über verschiedene Kanäle die Nachfrage nach Finanztiteln vergrößert und so spekulative Entwicklungen verstärkt. Ein weiterer Grund, weshalb ein Richtungswechsel in der bundesdeutschen Wirtschaftspolitik dringend nötig ist.

Von Axel Troost

Neues Deutschland, 11. September 2007