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Mehr Personal in der Pflege jetzt gesetzlich verankern

Im Wortlaut von Harald Weinberg,

In den letzten Wochen haben wir landauf, landab Warnstreiks in Krankenhäusern erlebt. Ob in Wismar, Hannover, Düsseldorf, Frankfurt oder Augsburg – die streikenden Kolleginnen und Kollegen fordern nicht mehr Lohn, sondern mehr Personal. Für diese Entschlossenheit gebührt ihnen großer Respekt. Dass die Beschäftigten diesen Schritt aber überhaupt gehen müssen, geht auf das schändliche Versagen der Bundesregierung in der Gesundheitspolitik zurück.

Im Wahlkampf haben alle Parteien Krokodilstränen über den Pflegenotstand vergossen. Die Scheinheiligkeit der warmen Worte war kaum auszuhalten. Denn dass zehntausende Pflegekräfte in den Krankenhäusern fehlen ist seit langem bekannt. Die Maßnahmen, die von der letzten Bundesregierung dagegen ergriffen wurden, sind lächerlich im Verhältnis zum herrschenden Personalmangel. Die im Juni hektisch beschlossenen Personaluntergrenzen sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.

Das zentrale Instrument gegen den Pflegenotstand ist eine gesetzliche Personalbemessung, wie sie DIE LINKE gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di und verschiedenen Pflege- und Ärzteverbänden seit Jahren fordert. Dabei geht es um eine für alle Krankenhäuser verbindliche Quote, wie viele Patientinnen und Patienten eine Pflegekraft maximal versorgen darf.

Überall dort, wo eine solche Personalbemessung eingeführt worden ist (z.B. im US-Bundesstaat Kalifornien), fällt die Bilanz positiv aus: Das Pflegepersonal wird entlastet, wodurch die Patientinnen und Patienten besser und sicherer versorgt werden. Sie genesen schneller, die Sterblichkeit und die Zahl der Komplikationen während eines Krankenhausaufenthalts sinken. Der Pflegeberuf wird wieder attraktiver, die Zahl der Bewerbungen steigt.

Derzeit ist Deutschland beim Personalschlüssel in Krankenhäusern im europäischen Vergleich trauriges Schlusslicht. Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) hat in der letzten Woche einen Masterplan gefordert, um die Dauerkrise in der Pflege zu beenden. Ihre Forderung umfassen eine Lohnsteigerung um 30 Prozent und die Schaffung von 100.000 zusätzlichen Pflegestellen in den nächsten Jahren.

100.000 zusätzliche Pflegekräfte in den Krankenhäusern – das klingt erst einmal viel. Der Pflegenotstand ist aber so weit vorangeschritten, dass wir so viele neue Pflegestellen benötigen, um beim Personalschlüssel zumindest ins europäische Mittelffeld aufzuschließen. Zum Vergleich: Würden wir den Personalschlüssel von Norwegen (1:4) erreichen wollen, bräuchten wir über eine halbe Million zusätzlicher Pflegekräfte.

Neben einer gesetzlichen Personalbemessung und ihre notwendige Finanzierung muss in dieser Wahlperiode das gesamte System der Finanzierung durch Fallpauschalen auf den Prüfstand, denn sie führen dazu, dass die Krankenhäuser, die am wenigsten Personal beschäftigen, die beste Bilanz haben. Krankenhauspolitik muss sich am Gemeinwohl orientieren und darf nicht dem Wettbewerb geopfert werden.

Die Ursache des Pflegenotstands liegt in der Kommerzialisierung der Krankenhäuser, die seit fast 30 Jahren von allen Bundesregierungen vorangetrieben wurde und wird. Sie sind zu einem Geschäftsmodell gemacht worden. Um Kosten zu senken wird bei Pflegekräften und den Servicebereichen von Krankenhäusern brutal gespart. Sie werden ausgequetscht wie Zitronen, und nach dem Ausquetschen wird auch noch die Schale abgerieben. Dagegen sind die Kämpfe der Pflegekräfte für mehr Personal das Licht am Ende des Tunnels: Wir brauchen einen Pflegeaufstand, der der Bundespolitik Beine macht.


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