Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage "Entwicklung der durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste mit und ohne Tarifbindung“ (ergänzt um Nachlieferung des Statistischen Bundesamtes) von Pascal Meiser, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE
Zusammenfassung:
Die Kluft zwischen tarifvertraglichen Löhnen und denjenigen, die nicht nach Tarifvertrag bezahlt werden, ist in den letzten Jahren immer größer geworden. Seit 2017 ist diese Lohnkluft sogar nochmal kräftig angestiegen. Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Pascal Meiser, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag. Demnach lag die monatlich Einkommensdifferenz 2019 bereits bei 626 Euro. Beschäftigte ohne Tarifvertrag bekamen somit zuletzt fast 15 Prozent weniger Lohn als diejenigen, die unter den Schutz eines Tarifvertrages fallen (siehe Abbildung 2). Frauen, die nicht nach Tarifvertrag bezahlt werden, hatten im Jahr 2019 sogar mehr als 20 Prozent weniger im Portemonnaie (siehe Abbildung 3).
In der Corona Krise, in der viele Beschäftigte in Kurzarbeit gehen müssen, wird dies zu einem zusätzlichen Problem. Beschäftigte ohne Tarifvertrag, die eh schon schlechter verdienen als Beschäftigte, die nach Tarif bezahlt werden, trifft es jetzt besonders, wenn sie mit einem Kurzarbeitergeld von 60 bzw. 67 Prozent ihres bisherigen Nettoeinkommens über die Runden kommen.
Die durchschnittlichen Bruttolöhne, die nach Tarifvertrag gezahlt werden, sind von 3815 Euro im Jahr 2015 um insgesamt 436 Euro auf 4251 Euro im Jahr 2019 angestiegen sind. Gleichzeitig sind die Bruttolöhne von Beschäftigten ohne tarifvertraglichen Schutz im gleichen Zeitraum lediglich um 346 Euro, von 3279 Euro auf 3625 Euro, gestiegen (siehe Abbildung 1).
Diese Zahlen verweisen auf eine anhaltende Blindstelle der Bundesregierung. So sprach beispielsweise Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in seinem im Januar veröffentlichten Jahreswirtschaftsbericht 2020 noch davon, dass die Beschäftigten in Deutschland an der guten Entwicklung am Arbeitsmarkt teilhätten und die Lohnentwicklung vor allem auf die hohen Abschlüsse der Gewerkschaften in den Tarifverhandlungen zurück zu führen sei. Ausgeblendet blieb dabei auch in diesem Bericht einmal mehr die wachsende Kluft am deutschen Arbeitsmarkt, die sich auch und gerade in den Geldbeuteln derjenigen bemerkbar macht, die nicht unter den Schutz eines Tarifvertrages fallen und die von der aktuellen Corona-Krise jetzt besonders hart getroffen sind.
Dazu erklärt Pascal Meiser, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag:
“Die Bundesregierung darf die anhaltende Spaltung am Arbeitsmarkt nicht länger achselzuckend hinnehmen. Dazu gehört, sich in der Corona-Krise auch um diejenigen zu kümmern, die nicht unter den Schutz eines Tarifvertrages fallen. Das Kurzarbeitergeld muss jetzt schnell für alle Beschäftigten erhöht werden, damit nicht Millionen Menschen unverschuldet drastische Einkommenseinbußen erleiden.
Darüber hinaus ist es höchste Zeit, der zunehmenden Tarifflucht Einhalt zu gebieten. Die Bundesregierung darf es nicht länger bei Sonntagsreden belassen. Sie muss endlich konkrete Maßnahmen in Angriff nehmen, um die Verhandlungsmacht der Gewerkschaft zu stärken. Ein zentrales Instrument ist dabei die Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen. Das doppelte Veto-Recht der Arbeitgeberseite muss abgeschafft werden. Nur so können wieder mehr ausgehandelte Tarifverträge auf ganze Branchen erstreckt und Lohndumping unterbunden werden.“