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Stefan Liebich

Liebich: Biden sendet außenpolitisch starke Signale

Im Wortlaut von Stefan Liebich, rbb-Inforadio,

Joe Biden ist seit 100 Tagen Präsident der USA und hat sowohl innen- wie außenpolitisch neue Akzente nach der Trump-Regierung gesetzt. Stefan Liebich (DIE LINKE), stellvertretender Vorsitzender der Parlamentariergruppe USA, lobt vor allem die Rückkehr ins Pariser Klimaschutzabkommen. Das Interview führte für das Inforadio des rbb Leon Stebe.


Inforadio/Leon Stebe: 100 Tage ist Joe Biden inzwischen im Weißen Haus. Vieles hat sich seit seinem Amtsantritt verändert. Kaum einer schaut noch nervös auf den Twitteraccount eines US-Präsidenten mit der Sorge, dass sein Tweet einen diplomatischen Scherbenhaufen hinterlässt. Es gibt weniger Provokationen, viele Kursänderungen, aber auch einige Herausforderungen – gerade in der Außenpolitik. Und darüber spreche ich jetzt mit Stefan Liebich von den Linken. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Parlamentariergruppe USA des Bundestages und jetzt bei uns am Telefon. Schönen guten Tag Herr Liebich.

Stefan Liebich: Guten Morgen, Herr Stebe.

Herr Liebich, Joe Biden ist in der Innenpolitik ziemlich kraftvoll gestartet. Gilt das aus Ihrer Sicht auch für die Außenpolitik?

Das mit der Innenpolitik möchte ich gern noch einmal kurz würdigen. Weil, vorher haben viele, und auch ich, über Sleepy-Joe gesprochen. Ich war eher für Bernie Sanders. Was er jetzt für ein Tempo vorlegt, da habe ich schon Respekt. Da geht es nicht nur um die Impfung in der Bevölkerung, sondern einen Kampf gegen Armut, Besteuerung der Reichen und Superreichen. Das ist toll. Außenpolitisch, das ist bei dem Amerikanern immer erst das zweite Thema, kam es auch zu Veränderungen, starken Signalen. Die Rückkehr ins Pariser Klimaabkommen, dass man wieder in diverse UNO-Gremien eingetreten ist, dass die Verhandlungen mit dem Iran wieder aufgenommen werden, um die Rückkehr der USA in das Atomabkommen zu ermöglichen, der Klimagipfel gestern und letztlich auch der Kampf für eine globale Mindestbesteuerung sind internationale Signale, die ganz, ganz anders sind als bei seinem Vorgänger und die ich sehr gut finde.

Das heißt, Sie als Linker sind begeistert von einem US-Präsidenten?

So weit würde ich nicht gehen, so gut kann kein US-Präsident auf der Welt sein, dass wir als Linke begeistert sind, aber man muss natürlich das Ganze an der Situation davor messen. Und das sind schon ganz unterschiedliche Signale. Na klar gibt es auch Kritik. Die gute Bilanz, die er vorlegen kann mit der Impfung der US-amerikanischen Bevölkerung, die ist ja deutlich besser als bei uns in Europa oder in Deutschland, die hat natürlich einen Preis. Wir sehen, dass weltweit Impfstoffe fehlen, was auch daran liegt, dass die reichen Staaten, übrigens auch die Europäische Union, zuallererst an sich denken. Nun kann man sagen, das ist irgendwie normal, dass Regierungen zuerst an ihre eigene Bevölkerung denken, nur das Virus, das sagte Joe Biden sogar, das Virus stoppt nicht an Mauern. Was wir im Moment in Indien erleben, was in vielen Teilen der Welt an Problemen ist, das sind auch unsere Probleme. Da muss ich schon Kritik üben. Joe Biden ist in der WTO auf der Seite der Bremser, wenn es um die Patentfreigabe für Impfstoffe geht. Deutschland auch, aber er eben auch.

Das heißt, Sie befürchten, dass die Idee, „America first“, dass die sich fortsetzt in Teilen?

Das hat er ja gesagt. Er sagt: Buy American. Er hat ein sehr, sehr gutes Infrastrukturprogramm aufgelegt, auch etwas, was ich mir von der Bundesregierung wünschen würde. Investitionen in öffentliche Güter, das ist eine feine Sache. Das hat er damit verbunden, dass er gesagt hat: Buy American. Aber, bei ihm ist es eben so, dass er durchaus die Notwendigkeit sieht, international zusammenzuarbeiten. Bei der mehrfachen und häufig auch zu harten Kritik an Russland und China in seiner Rede hat er immer wieder auch betont, dass es die Notwendigkeit zusammenzuarbeiten trotzdem gibt. Gerade was Klimafragen betrifft. Insofern ist es weiter eine Fokussierung auf Amerika, wie bei allen amerikanischen Präsidenten zuvor aber eine stärkere Öffnung hin zu globalen Allianzen.

Lassen Sie uns kurz noch einmal einen Blick auf die bilateralen Beziehungen werfen. Sie sind ja stellvertretender Vorsitzender der Parlamentariergruppe USA, spüren sie da auch einen anderen Geist, wenn es um das deutsch-amerikanische Verhältnis geht?

Absolut. Es ist wirklich eine Erleichterung nach den vier Jahren Albtraum, man kann es bei allen Gesprächen spüren, die wir haben mit den US-amerikanischen Kollegen und auch in den transatlantischen Communities hier. Jetzt kommt es allerdings darauf an, was Deutschland tut. Ich sehe die Angebote, ich sehe die Vorlagen des US-Präsidenten. Aber jetzt ist die Frage, wie reagiert Deutschland. Er hat zum Beispiel in seiner Rede gesagt, er möchte, dass der Mindestlohn in den USA auf 15 Dollar erhöht wird. Das wären etwa 13 Euro, wenn man es umrechnet. Wir sind da weit drunter, wir sind bei 9,50 Euro. 13 Euro wäre eine gemeinsame Forderung. Dann hat er den Kampf gegen Armut nach vorn gestellt, er hat gesagt, wir müssen die Steuerschlupflöcher schließen für die Superreichen. Er sagte zum Beispiel den schönen Satz: „Es gibt gute Leute an der Wallstreet, aber die haben nicht Amerika aufgebaut.“ Deswegen hat er einen Vorstoß gemacht zum Thema Kampf für die Gewerkschaften. Warum ziehen hier Deutschland und Europa nicht mit? Man kann doch sagen, wenn sich hier was dreht, endlich, die neoliberale Politik kam ja aus Amerika, dann müssen wir ihn unterstützen. Da sind mir Deutschland und Europa viel zu leise.

rbb-Inforadio,