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Kulturintegration "von unten"

Im Wortlaut von Diether Dehm,

Wie in jedem Jahr sind die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE während der so genannten Parlamentarischen Sommerpause viel in ihren Wahlkreisen unterwegs. Vor Ort nehmen sie sich der Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger an, besuchen Betriebe und Vereine, engagieren sich für lokale und regionale Anliegen. Auf linksfraktion.de schreiben die Parlamentarierinnen und Parlamentarier über ihren Sommer im Wahlkreis. 

Diether Dehm (l.) und Giuliano Pisapia, Oberbürgermeister von Mailand


Den im Mai neu gewählten Oberbürgermeister von Milano, Giuliano Pisapia, traf ich in "seiner", einer der wichtigsten Städte Europas. Meine alte Heimatstadt Frankfurt am Main, in der ich auch mal im Magistrat wirkte, hat eine Städtepartnerschaft mit Mailand. 

Guliano Pisapia ist Jurist und parteiloser Politiker. Er war der Nebenkläger, der die Familie des 2001 bei den Demonstrationen gegen den G8-Gipfel in Genua von der Polizei erschossenen Carlo Giuliani vertrat. 

Mit seiner erfolgreichen Wahl ist er seit 18 Jahren der erste Kandidat des Mitte-Links-Lagers, der nun auch zum Bürgermeister Mailands gewählt wurde. Die Mitte-Links-Koalition stellt im Gemeinderat mit 29 von 48 Sitzen die Mehrheit. Durchgesetzt hat er sich trotz einer scharfen Kampagne aus dem Hause Berlusconi. 

In unserem Gespräch ging es auch um die Kulturpolitik. Giuliano meint, einer der größten weißen Flecken Europas sei das kulturelle Zusammenwachsen.

  In Milano, der zweitgrößten italienischen Stadt, treffen Ost und West, Nord und Süd aufeinander, treffen sich große humanistische Traditionen der Oper, hier kommen die Traditionen Verdis und Brechts, der Scala und des Piccolo Teatro von Strehler zusammen – so unterschiedlich sie sein mögen.

Pisapia und ich finden es wichtig, lebendige Künste und Kunstdarbietungen in Europa zu vereinen, durch Übersetzung die Rezeption in vielen Ländern zu ermöglichen. Über die Sprache treffen Menschen zusammen, die das Ziel haben, das Künstlerische im baudelaireschen Sinne (der meinte, das Poetische sei das nicht Übersetzbare) zu bewegen, die Kommunikation unter den Menschen zu vermitteln – auch und gerade über die Kunst.   Es gilt nicht nur, der gegenwärtigen Umverteilung des Reichtums zugunsten immer weniger bei Enteignung von immer mehr Menschen entgegenzuwirken, es muss auch verhindert werden, dass Menschen von der Aneignung der Kunst ausgeschlossen sind. 

Dies sollte in der Kulturpolitik eine immer größere Rolle spielen. Deshalb halten wir es für richtig, wenn zu diesem Diskurs nicht nur Künstler, nicht nur Übersetzer, sondern auch Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker – zunächst in Italien und Deutschland und später in anderen europäischen Staaten aufgerufen werden. Eine solche "künstlerische Graswurzelbewegung" kann, soll und muss zu einem breiten Prozess kultureller europäischer Integration "von unten" werden. Daran wollen wir gemeinsam arbeiten.
Von Diether Dehm

linksfraktion.de, 16. August 2011

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