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Kriegsvorbereitung

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

Von Sevim Dagdelen, Sprecherin für internationale Beziehungen der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 



In diesen Tagen wird im Westen, wenn es um die Krim-Frage geht, gerne das Völkerrecht hochgehalten. Allerdings scheint die völkerrechtliche Bindung für die NATO selbst keinerlei Gültigkeit zu haben. Die Interventionen in Jugoslawien, Irak und Libyen waren – so US-Präsident Obama – alles keine Völkerrechtsbrüche. Und so ist zu erwarten, daß auch das jetzt publik gewordene Gespräch des türkischen Außenministers mit seinem Geheimdienstchef und dem Vizeregierungschef keinerlei Konsequenzen haben wird. In ihrer Unterredung stellten sie Überlegungen an, wie mit Lügen ein Krieg gegen Syrien zu legitimieren sei.

Dabei ist die Sachlage klar. Wer Angriffskriege mit Vorwänden wie dem Tonking-Zwischenfall 1964 oder dem Racak-Massaker 1999 vorbereitet, gehört vor den Strafgerichtshof. In puncto Syrien handelt es sich um den wiederholten Versuch des Regimes von Premier Recep Tayyip Erdogan, einen Einmarsch beginnen zu können. So sprach man in Ankara im Juni 2012 vom syrischen Abschuß eines türkischen Militärflugzeugs über internationalen Gewässern, während ein geheimer NATO-Bericht die syrische Seite entlastete. Später versuchte Erdogan den Einschlag von Granaten im Grenzgebiet der syrischen Armee in die Schuhe zu schieben, obwohl diese aus der von Rebellen kontrollierten Gegend abgeschossen wurden und wahrscheinlich aus NATO-Beständen stammten.

Die Lügen waren Anlaß für die NATO, Ankara beizuspringen. Deutschland und andere Mitgliedsstaaten des Militärpakts schickten Abwehrraketen und Soldaten an die türkisch-syrische Grenze. Jetzt scheint Erdogan noch weiter gehen zu wollen. Nachdem die türkische Armee erfolglos Al-Qaida-Milizen bewaffnet hatte, will man die Sache in die eigene Hand nehmen. Die türkische Exklave im Norden Syriens um das Grabmal von Süleyman Sah wollte man offenbar selbst attackieren, um einen Angriffskrieg zu beginnen. So wurde der türkische Geheimdienstchef Fidan im Gespräch mit Außenminister Davutoglu ganz konkret: »Wenn es nötig ist, kann ich vier Männer nach Syrien schicken. Ich würde sie acht Granaten auf die türkische Seite abfeuern lassen und einen Vorwand für einen Krieg schaffen. Wenn nötig, kann auch ein Angriff auf die Grabstätte erfolgen.«

Nachdem die Führung in Damaskus nicht auf die Provokation des Abschusses eines syrischen Militärflugzeuges reagiert hatte, scheint die Türkei größere Geschütze auffahren zu wollen. Daß man prompt das Internetportal Youtube sperrte, auf der das Gespräch veröffentlicht wurde, liegt in der Logik der Kriegsvorbereitung. Erdogans Freiheit ist die NATO-Freiheit. Hinter ihm steht der Militärpakt, der seinen Waffenbruder ob der peinlichen Veröffentlichungen nicht einmal ermahnt.

junge Welt, 29. März 2014