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Klima schützen statt Renditen

Im Wortlaut von Klaus Ernst,

Das kapitalistische Wirtschaftssystem mit seiner Ausrichtung auf Wachstum und Renditemaximierung sieht den Schutz der Umwelt und schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen als Störfaktoren.
2013 sorgte Papst Franziskus mit den Worten "Diese Wirtschaft tötet" für Furore. 2014 griff die Aktivistin Naomi Klein das Thema in ihrem Buch "Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima" auf.

Wenn jetzt vor einer neuen Heißzeit gewarnt wird, bedeutet das für die Wirtschaftspolitik endlich der Vernunft mehr Platz einzuräumen. Es geht an den Notwendigkeiten vorbei und grenzt an unterlassene Hilfeleistung, wenn sich die staatliche Ebene hierzulande im Vertrauen auf die unsichtbare Hand des Marktes vielfach tatenlos zurücklehnt.  

Ist es nicht ökonomischer und ökologischer Unfug, Lebensmittel von Übersee einzuführen oder nach Sonstwo zu exportieren, die auch vor Ort wachsen oder produziert werden. Man schaue sich etwa die Handelsströme von Fleisch an, die mit einem hohen ökologischen Fußabdruck über die Ozeane geschippert werden. Was soll das? Davon mögen einige Shareholder profitieren, allen anderen schadet es. Oder warum sind Bahnfahrkarten im Vergleich zu Flugtickets oft so teuer? Warum lassen wir es zu, dass tausende LKWs täglich die Umwelt mit Feinstaub kontaminieren, anstatt notwendigen Transport, wenn es sein muss durch gesetzliche Regelungen, auf die Schiene zu verlagern? Das Problem unseres Wirtschaftssystems ist, dass die wirklichen Kosten wirtschaftlich unsinnigen Handelns in den Preisen nicht sichtbar sind, sondern auf die Allgemeinheit übertragen werden. Umweltverschmutzung etwa trifft alle, während die Gewinne in den Taschen Einzelner verschwinden.

Immer mehr Menschen haben es satt, Lebensmittel zu essen, deren Anbau den Erzeugerländern Leid bringt, Kleider zu tragen, an denen im wahrsten Sinne des Wortes Blut klebt, oder Kosmetikprodukte zu verwenden, deren Herstellung mit einer Abholzung des Regenwaldes einhergeht. Sie kritisieren den verschwenderischen Umgang mit natürlichen Ressourcen in der industriellen Produktion. Dabei ist es eine Überforderung des einzelnen Verbrauchers, allein ihm die Verantwortung zu übertragen, durch seine Konsumentenentscheidungen, also beim Kauf jedes einzelnen Produktes, Druck für bessere Produktionsbedingungen oder den Schutz der Umwelt aufzubauen. Oft sind es auch die ökonomischen Verhältnisse der Ärmeren unserer Gesellschaft, die sie zu billigen Produkten, die leider oft unter inakzeptablen Bedingungen produziert wurden, greifen lassen. Ihnen die Schuld zuzuweisen ist zynisch!

Diese Themen müssen strukturell, also politisch, gelöst werden.
Wenn das kapitalistische System offenbar blind ist gegenüber Naturzerstörung und Ausbeutung, muss ein klarer Rahmen vorgegeben werden, innerhalb dessen Unternehmen und Konzerne agieren dürfen und der die Interessen der Mehrheit der Menschen schützt.

Zum Beispiel braucht es verbindliche, gesetzlich geregelte Sorgfaltspflichten für deutsche Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette. Dazu ist auch endlich die Einführung eines Unternehmensstrafrechts in Deutschland notwendig, um Unternehmen bei Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft ziehen zu können. Nicht nur Frankreich hat solch ein Gesetz bereits auf den Weg gebracht. Auch muss die Handelspolitik völlig neu ausgerichtet werden. Die jüngsten Freihandelsabkommen, die die EU-Kommission mit allen denkbaren Regionen der Welt aushandelt, sorgen nicht für hohe gemeinsame Standards und mehr Pflichten für Unternehmen. Im Gegenteil. Es wäre auch denkbar, die Einhaltung bestimmter Umwelt-, Sozial- und Arbeitsstandards für den Warenimport nach Europa vorauszusetzen - mit entsprechenden Kontrollen.

Dabei geht es nicht darum, sauertöpfisch Verzicht zu üben und wieder bei einer Subsistenzwirtschaft zu landen - es geht darum, ein sinnvolles Maß des Handels und des (Markt)Wirtschaftens zu finden. Dafür braucht es eine intelligente Kombination von Plan und Markt sowie von Politik und Technik.

Trotz aller berechtigten Kritik an Chinas Politik. Dort lässt sich erkennen, was eine politische Strategie bewirken kann: gezielt treibt das Land mit seinen Investitionen sein Seidenstraßen-Projekt voran, und baut auch die Erneuerbare Energien aus. Europa braucht ebenfalls eine wirtschaftspolitische Strategie, wie es den ökologischen Problemen, die nicht zuletzt mit der Heißzeit sichtbar werden, begegnen will! Diese Strategie muss den ökologischen Umbau unserer Produktion genauso beinhalten, wie eine Ausrichtung der Handelspolitik auf ökologische Ziele in allen Partnerländern.