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Hintergrund: Freihandelsabkommen USA-EU (TTIP)

Nachricht,

Seit 2007 wird politisch über den Aufbau einer "Freihandelszone" zwischen den USA und der EU diskutiert. Der Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise in 2007/08 hatte aber die Aufnahme von Verhandlungen erst einmal verzögert. Die EU-Kommission nutzte die Zeit und erstellte ein umfassendes Verhandlungsmandat. Es beinhalte über 30 Teilbereiche und beinhalte die Senkung von Zöllen und Einfuhrquoten, die Dienstleistungsliberalisierung, sensible Aspekte des Verbraucher-, Umwelt- und Datenschutzes und die Etablierung außergerichtlicher, geheimer Schiedsverfahren für Streitfälle zwischen Unternehmen und Staaten.

Ausgearbeitet wurde das Mandat im Geheimen durch eine "High Level Working Group on Jobs and Growth" mit starker Beteiligung von Unternehmensvertretern und bestens vernetzter Lobbygruppen der Wirtschaft. Kein Wunder,  geht es doch beim TTIP um sehr viel Geld, Macht und Einfluss durch die Gestaltung von Gesetzen, Regeln, Normen und Standards. Die europäischen Bürgerinnen und Bürger, Parlamentarier und unzählige zivilgesellschaftliche Gruppen hatten dagegen von Beginn an das Nachsehen. Sie wurden gar nicht erst gefragt, geschweige denn umfassend informiert. Sogar heute noch ist das Verhandlungsmandat der EU geheim, auch wenn das Dokument längst geleakt wurde und sich im Internet findet.

Politik in Brüssel und Berlin stellt sich dumm

Weitgehend geheim (alles wird als vertraulich/sensibel und "Nur für den Dienstgebrauch" eingestuft) sind Verhandlungstexte, konkrete Angeboten der EU und Forderungen der US-Delegation und vieles mehr. Anderes ist selbst den Regierungen unbekannt. Diese Geheimniskrämerei hat Methode und wird genutzt, um die öffentliche Debatte zu erschweren. Viele Texte gelangen zwar über Umwege ans Licht, aber die Politik in Brüssel und Berlin kann sich so stets abducken. Sie sind ja nicht offiziell herausgegeben worden oder entsprächen nicht dem tatsächlichen Verhandlungsstand – wer soll das schon überprüfen. Man stellt sich bewusst "dumm", verschleiert oder ist tatsächlich unwissend und kann so Kritik aushebeln und ohne Beleg zurückweisen (siehe auch Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE).

Die formellen Verhandlungen zum TTIP starteten im Juli 2013 in Washington. Seit einem Jahr treffen sich nun die Delegationen an geheimen Orten in Brüssel und Washington und verhandelten über die gesamte Bandbreite des TTIP. Ging es in den ersten drei Treffen um technische Fragen, Einzelaspekte (etwa zu Herkunftsbezeichnung bei Lebensmitteln) und den weiteren Fahrplan, sollten in den letzten drei Verhandlungsrunden substanziellere Fortschritte in der Sache erzielt werden.

Öffentliche Kritik erzeugt Druck

Das offizielle Fazit nach der vor kurzem beendeten 6. Verhandlungsrunde ist ernüchternd: Vieles wurde angesprochen, aber weniges konkret vereinbart. Gemeinsame Textentwürfe liegen bestenfalls für unstrittige, wenig sensible Punkte vor (etwa ein gemeinsames Werbekapitel zur Vorteilhaftigkeit des TTIP für kleine und mittlere Unternehmen). Während die US-Delegation in vielen Bereichen (zur Zulassung von Agrarprodukten und Lebensmitteln in der EU und Dienstleistungsliberalisierung) drängt, verweigert die EU-Kommission vor allem aufgrund der gewachsenen öffentlichen Kritik noch Zugeständnisse. Ähnlich beharrt die EU-Delegation auf Punkten (Öffnung des Marktes in den USA für die öffentliche Beschaffung, Finanzmarktliberalisierung), die bei der US-Seite von Beginn an als so nicht verhandelbar galten.

Aktuell sind die TTIP-Verhandlungen ins Stocken geraten, was für die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger eine gute Nachricht ist. Abgewartet wird, wer als neuer EU-Handelskommissar die weiteren Verhandlungen führen wird und wie sich die politische Stimmung in den USA nach den Wahlen zum Repräsentantenhaus im November ändert.

Bundesregierung und EU-Kommission in die Enge getrieben

Die LINKE und die außerparlamentarische Bewegung können dagegen ein positiv Fazit ziehen: Es ist gelungen die massiven demokratischen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Gefahren des TTIP einer breiteren Öffentlichkeit vor Augen zu führen. Trotz aller Widrigkeiten und taktischen Spielchen sind die Bundesregierung und EU-Kommission argumentativ in den letzten Monaten in die Enge getrieben worden. Damit dies so bleibt, ist unsere Kritik noch besser zu transportieren, um mehr Menschen zu erreichen. Eine gute Gelegenheit dafür ist die Europäische Bürgerinitative (EBI) zum Stopp von TTIP und CETA (Freihandelsabkommen EU-Kanada) von knapp 150 Organisationen aus 18 EU-Mitgliedsländern, die wir unterstützen.


linksfraktion.de, 12. August 2014