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HDP-Vorsitzende ein Jahr in Haft: Solidarität mit Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen, junge Welt,

Von Sevim Dagdelen, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Ein Jahr sitzen die HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag in türkischer Untersuchungshaft. Ein rechtsstaatliches Verfahren haben sie nicht zu erwarten. Staatschef Erdogan hat der willfährigen türkischen Justiz die Marschrichtung vorgegeben. Demirtas sei ein Terrorist und die HDP nichts weiter als der verlängerte Arm der PKK. Erdogan und sein islamistisches AKP-Regime zielen darauf, Demirtas und Yüksekdag lebendig im Gefängnis zu begraben – den beiden drohen zusammen mehr als 220 Jahre Haft.

Trotz einer Welle der Repression, die an einen faschistischen Maßnahmenstaat erinnert, ist es Erdogan nicht gelungen, die HDP zu zerstören. Die Verhaftungen der beiden Vorsitzenden waren ja nur ein Beispiel für die Willkür gegen die prokurdische Demokratische Partei der Völker. Tausende HDP-Politiker wurden festgenommen, fünf Abgeordnete verloren ihren Status, in 94 Gemeinden mit HDP-Bürgermeistern wurden Zwangsverwalter eingesetzt.

Erdogan wird weiter gegen die HDP vorgehen, denn nur wenn er die Partei bei den Wahlen 2019 unter die Zehnprozenthürde drückt, hat er eine Chance, eine Mehrheit für seine AKP zu erlangen und den Fortbestand seiner Macht zu sichern. Eine neue rechtsnationalistische Partei wie auch der Dauerkonflikt mit den USA – siehe die Verhaftung von US-Konsularbeamten in der Türkei und den Visastopp Washingtons in der Folge – könnten Erdogans Machtposition massiv in Frage stellen. Hinzu kommen die ökonomischen Probleme des Landes. Die türkische Lira befindet sich in freiem Fall, Auslandskredite verteuern sich exorbitant.

Angesichts von über 50.000 Festgenommenen und über 100.000 aus dem Job Entlassenen, der Geiselnahme deutscher Journalisten wie Deniz Yücel und Mesale Tolu, immer neuen Repressionswellen – etwa die jetzige gegen türkische Akademiker, denen das Verbrechen zur Last gelegt wird, einen Friedensaufruf unterzeichnet zu haben – ist es ungeheuerlich, dass Erdogan für die Bundesregierung ein privilegierter Partner bleibt. Wenn auch reduziert, werden dem NATO-Mitglied weiter Waffen geliefert, die Bundeswehr verbleibt in Konya und liefert der Türkei Informationen, die diese für ihre Intervention an der Seite islamistischer Terrorbanden in Syrien nutzt. Die Hermes-Kreditbürgschaften wurden nicht reduziert, der EU-Beitritt wird nicht auf Eis gelegt, so dass weiter Finanzhilfen fließen.

Es gilt gerade jetzt, Solidarität mit Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag zu zeigen. Wer diese ernst meint, muss auf die Unterstützung der Bundesregierung für Erdogan zielen. Denn ganz in der Tradition des deutschen Kaiserreichs greift sie dem kranken Mann am Bosporus unter die Arme, um die Interessen des deutschen Kapitals nicht zu gefährden. Erst wenn diese Verbindung gekappt wird, können Erdogan und seine AKP ins Wanken gebracht werden.

junge Welt,