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Griechenland – Unter Räubern

Im Wortlaut von Sahra Wagenknecht,

Foto: Uwe Steinert

 

 

 

Von Sahra Wagenknecht, Erste stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Die „Griechen-Rettung“ der Bundesregierung gleicht einem Bankraub. Aber: Nicht die Banken wurden beraubt, sondern die Steuerzahler von den Banken. Ermöglicht hat dies eine Räuberbande aus Regierung und vermeintlicher Opposition. Genauer: Merkel, Schäuble, Rösler, Steinbrück und Trittin.

Griechen-Rettung? Banken-Rettung!

Die angeblichen Hilfen für Griechenland über rund 210 Milliarden Euro flossen nahezu vollständig an den Finanzsektor. Unter Berücksichtigung von Zinszahlungen landeten etwa 94 Prozent der „Hilfen“ bei Banken und privaten Gläubigern. Unter den wichtigsten Gläubigern befanden sich unter anderem deutsche und französische Banken. Im April 2010 waren noch etwa 90 Prozent der griechischen Staatsschulden in privater Hand, nunmehr sind es nur noch 15 Prozent. Deutsche Geschäftsbanken, Versicherer und Investmentfonds haben ihre Forderungen gegenüber Athen weitgehend bereinigt. Der unvermeidliche Schuldenschnitt wird daher nun überwiegend die Steuerzahler treffen. Denn die Alternative - die korrupte griechische Oberschicht über eine Vermögensabgabe in die Pflicht zu nehmen - ist für die Bundesregierung tabu. Dabei wäre einiges zu holen, nicht nur in Griechenland: Allein das Vermögen der europäischen Millionäre übertrifft mit etwa 14 Billionen Euro die Staatsverschuldung aller EU-Staaten, die 11 Billionen Euro beträgt.

Merkels Märchenstunde

Das Nein der Kanzlerin zu einem Schuldenschnitt ist so glaubwürdig wie das einstige Versprechen von Franz Müntefering, die SPD würde die Mehrwertsteuer nach der Wahl nicht erhöhen. Für Deutschland lässt sich das Risiko grob abschätzen: Das erste Griechenland-Paket umfasste Finanzhilfen von rund 53 Milliarden Euro, Deutschlands Anteil daran betrug rund 15 Milliarden Euro. Danach wurde im Rahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) ein zweites Griechenland-Paket über 145 Milliarden Euro geschnürt. Davon sind etwa 130 Milliarden Euro ausgezahlt. Der deutsche Anteil an der EFSF beträgt 29 Prozent. Deutschland haftet daher für etwa 38 Milliarden Euro der bisher ausgezahlten Griechenland-Gelder des zweiten Griechenland-Pakets. Der EFSF-Rettungsschirm leiht sich aber selbst Geld auf den Finanzmärkten. Günstige Zinsen gibt es jedoch nur mit einer Spitzennote der Ratingagenturen. Daher muss die Bürgschaft für den EFSF noch höher ausfallen, dies nennt man eine Übersicherung. Berücksichtigt man die Übersicherung, bürgt Deutschland für rund 62 Milliarden Euro der bisher ausgezahlten "Rettungsgelder" des zweiten Griechenland-Pakets.

Ein Schuldenschnitt müsste etwa 30 Prozent betragen, um Griechenlands Staatsverschuldung - wie von der Troika angestrebt - auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zurückzuführen. Ein Schuldenschnitt könnte daher Verluste für die Steuerzahler in  Deutschland von bis zu rund 23 Milliarden Euro verursachen. Nicht berücksichtigt sind dabei Forderungen der Europäischen Zentralbank (EZB) aus dem Securities Market Programme (SMP) sowie des Internationalen Währungsfonds (IWF) von jeweils etwa 30 Milliarden Euro. Der IWF hat vorrangigen Gläubigerstatus und der Status der EZB ist umstritten. Vorrangige Gläubiger erhalten ihr Geld bei einem Zahlungsausfall vor allen anderen Gläubigern. Es ist somit noch unklar welche Auswirkungen ein Schuldenschnitt auf die Forderungen der EZB aus dem SMP-Programm bzw. den IWF hätte. Kauft die EZB zukünftig Banken Staatsanleihen im Rahmen des Outright Monetary Transaction Programme (OMT) ab, wird sie jedoch bei einem Zahlungsausfall haften und daher geringere Notenbankgewinne an die Staatshaushalte ausschütten. Hinzu kommen die aktuelle Finanzierungslücke von etwa 4,5  Milliarden Euro des ersten Griechenland-Paktes sowie Gerüchte über ein drittes Griechenland-Paket über mindestens 10 Milliarden Euro.

Operation gelungen, Patient tot

Gleichzeitig wurde die „Rettung“ Griechenlands mit dem größten Angriff auf Demokratie und Sozialstaat in Europas Nachkriegsära verbunden. Die brutalen Kürzungspakte haben die Krise weiter verschärft. Griechenland hat seit Ausbruch der  Wirtschafts- und Finanzkrise über 20 Prozent seiner  Wirtschaftskraft verloren, die Schuldenquote ist von 130 Prozent des BIP auf über 170 Prozent explodiert. Die Arbeitslosigkeit beträgt mittlerweile 27 Prozent. Unter Jugendlichen sind gar zwei von drei oder 62 Prozent ohne Arbeit. Die Gewerkschaft des Privatsektors in Griechenland erwartet, dass die Arbeitslosenquote noch mindestens zwanzig Jahre über 10 Prozent verharren wird. Griechenland hätte dann ein viertel Jahrhundert Ausnahmezustand hinter sich. In den Krankenhäusern fehlt es an lebenswichtigen Medikamenten, Schwangere werden dort abgewiesen und Kinder hungern. Eine Schande mitten in Europa.

Nach der Wahl wird abgerechnet

Doch nicht nur Griechenland wurde an die Wand gefahren. Es drohen weitere Risiken, etwa in Irland. Kürzlich machten sich führende Manager der Anglo Irish Bank am Telefon über Politiker lustig, die in ihrer Schrott-Bank ohne Sinn und Verstand Geld versenkten. Nun soll Dublin bereits zum Jahresende das Geld ausgehen. Nicht viel besser sieht es in Portugal aus, die Gelder werden dort bestenfalls noch bis Juni 2014 reichen. Zypern gilt jetzt schon als technisch bankrott. Werden die verschiedenen Rettungstöpfe ausgeschöpft haftet Deutschland unter dem Strich etwa für 211 Milliarden Euro der EFSF. Der permanente Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) löst die EFSF nun ab. Laut Bundesregierung bürgt Deutschland hier für etwa 190 Milliarden Euro. Die Räuber in Europas Hauptstädten drängen überdies zunehmend darauf, ihre Zombie-Banken unmittelbar aus dem ESM zu finanzieren.

Euro-Krise privat

Viele, die von der Politik in die private Altersvorsorge gedrängt wurden, erleben jetzt schon ihre persönliche Euro-Krise. Die EZB hält aufgrund der geringen Investitionsbereitschaft der Unternehmen die Zinsen niedrig. Die sinkenden Zinsen werden von den Lebensversicherern an die Kleinsparer weitergereicht und gleichen in vielen Fällen nicht einmal mehr die Inflation aus. DIE LINKE fordert daher eine Anhebung des gesetzlichen Garantiezinses der Lebensversicherer und eine Abwicklung des privaten Renten-Casinos  zugunsten einer starken gesetzlichen Rente.

Nein zur Rettung der Euros von Banken und Vermögenden

DIE LINKE hat als einzige Partei im Deutschen Bundestag den giftigen Cocktail aus Bankenrettung und Sparbomben abgelehnt. Die privaten Gläubiger und Eigentümer der Banken sollen haften. Nur seriöse Unternehmenskredite und die Einlagen der Kleinsparer sind abzusichern. Wir wollen die Profiteure der Krise zur Kasse bitten und fordern eine EU-weite Vermögensabgabe für Millionäre. Um das Geschäft mit der Staatsverschuldung zu beenden, muss die EZB Investitionen durch direkte Kredite ohne Umweg über die Banken unterstützen. Die Krisenstaaten brauchen Investitionsprogramme statt Bankenrettungsmilliarden. Den Euro-Crash-Kurs der anderen Parteien wird DIE LINKE auch nach der Wahl weiter bekämpfen.

linksfraktion.de, 4. September 2013