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Globale Ungleichheit zwingt Menschen zur Flucht

Im Wortlaut von Heike Hänsel,

Serie Ungleichheit in Deutschland, Teil 9

 

 

Von Heike Hänsel, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Es liegt auf der Hand, dass Armut und globale Ungleichheit zu den ersten Gründen von Flucht zählen. Was das im Umkehrschluss bedeutet, bekräftigt DIE LINKE immer wieder: Der Kampf gegen soziale Ungleichheit weltweit muss oberste Priorität haben. Nur die konkrete Umverteilung von bestehendem Reichtum und die Überwindung der herrschenden Weltwirtschaftsordnung, die die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet, können Flucht und unfreiwillige Migration verhindern helfen. Dazu gehört, die Freihandelspolitik der EU grundsätzlich zu hinterfragen und Handelsstrukturen zwischen den wohlhabenden Industriestaaten und den Entwicklungs- und Schwellenländern zu etablieren, die eine selbstbestimmte Entwicklung und Industrialisierung im Süden ermöglichen. Aber die Politik der Bundesregierung geht in eine andere Richtung: Staaten des Südens werden zur weiteren Marktöffnung, Liberalisierung und zum billigen Export ihrer Bodenschätze genötigt, während Initiativen zum Aufbau funktionierender Sozialstaaten regelmäßig abgeschmettert werden. Dies wird von den Regierungsparteien nicht thematisiert, sie konzentrieren sich auf Maßnahmen zur Bekämpfung der Flüchtlinge.

Dabei liegen die alarmierenden Zahlen auf dem Tisch. Die in Brüssel ansässige Organisation Eurodad hat für das Jahr 2012 errechnet, dass etwa zwei Billionen US-Dollar legal und illegal aus den Ländern des Südens nach Norden geflossen sind, massiv verursacht durch organisierte Steuerflucht- und Vermeidung der multinationalen Konzerne. Das ist doppelt so viel wie aus dem Norden in den Süden transferiert wird. Wir haben also einen Vermögensabfluss von zwei zu eins zugunsten der reichen Länder des Nordens. Diese Finanz- und Wirtschaftspolitik muss bekämpft werden, denn sie produziert Armut, Umweltzerstörung und verhindert eine nachhaltige Entwicklung, die sich aber die Staatengemeinschaft gerade erst 2015 durch die Verabschiedung der "Agenda 2030" auf die Fahnen geschrieben hat.

Die Armen werder ärmer

Es ist nicht so, dass es keine Lösungsvorschläge gibt. Seit Jahren fordern die Staaten des Südens – in ihrer Mehrheit übrigens Opfer der historischen Kolonialregime Europas – eine Schuldenstreichung und die aktive Bekämpfung von Steuerflucht und Steuervermeidung der transnationalen Konzerne. Bei der UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung im Juli vergangenen Jahres wurden aber die Vorstöße für eine gerechtere soziale Entwicklung von den reichen Industriestaaten abgeschmettert. Eine Initiative zum Aufbau einer Steuerbehörde unter dem Dach der UN, wurde von der reichen Staaten, auch Deutschland abgelehnt. Die nach wie vor wichtige Forderung nach einer Finanztransaktionsteuer wurde gleich ganz aus dem Abschlussdokument gestrichen.

Das bedeutet: Die Armen werden auf globaler Ebene immer ärmer, während ihnen von den Nutznießern des ungerechten Systems Instrumente verweigert werden, um strukturell etwas gegen die bestehenden Probleme zu unternehmen. All das ist Teil eines immensen Umverteilungsapparats von unten nach oben- weltweit. Denn von der Ausbeutung der Staaten des Südens "profitieren" nicht generell die Menschen im Norden, sondern wenige transnationale Konzerne und deren Shareholder. Landgrabbing und  Nahrungsmittelspekulation für den Profit weniger sind Motoren massiver Vertreibung von Menschen. Dieser Teufelskreis aus Armut, Ausbeutung, Flucht und Gewalt muss durchbrochen werden.

Und, noch einmal: Die Zahlen geben uns recht: Inzwischen braucht es nur noch 62 Superreiche – so berichtete die Organisation Oxfam unlängst –, um das Vermögen der 3,6 Milliarden Menschen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung aufzuwiegen. Dabei geht die Konzentration von Reichtum unvermindert weiter: Im Jahr 2015 waren es noch 82, vor fünf Jahren sogar 388 Milliardäre.

Ursachen der Flucht endlich bekämpfen

Im Bundestag und auf der Straße wird DIE LINKE dieses Thema auf weiter die Agenda setzen. Das ist auch nötig, weil die Bundesregierung die Rechte des Parlaments immer weiter beschneiden will. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und Afrika. Mit einer offenen Erpressungspolitik werden die afrikanischen Staaten dazu gezwungen, Schutzzölle abzubauen, die sehr wichtig für den Aufbau eigener Industrien wären. Auch Exportzölle für Rohstoffe sollen gestrichen werden. Die EU hat nämlich ein großes Interesse daran, weiterhin billig und noch ungehinderter an diese Rohstoffe zu kommen. Das ist nicht mehr und nicht weniger als eine neokoloniale Politik – eine der Hauptursachen für Flucht und Vertreibung. Dies zu benennen ist wichtig in Zeiten, in denen Rechtspopulisten von Union bis hin zur AfD mit billigen Parolen zur Hatz gegen Flüchtlinge aufrufen, statt die Ursachen der Flucht endlich öffentlich zu diskutieren und zu bekämpfen.


linksfraktion.de, 10. Februar 2016