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Globale Finanzkrise nur global lösbar

Interview der Woche von Gesine Lötzsch,

Gesine Lötzsch, stellvertretende Vorsitzende und haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zu notwendigen Schritten, um die internationale Finanzkrise einzudämmen

Selbst der Finanzminister der USA erwägt jetzt die Verstaatlichung von Banken. Auch bei den Themen Bankenaufsicht und Managergehältern steht DIE LINKE mit ihren Forderungen nicht mehr allein da.

Politiker in den USA und in Europa haben bereits erkannt, dass es nicht reicht, Bürgschaften zu vergeben, man muss über staatliche Beteiligungen Zugriff auf das Management und die Informationen bekommen, ansonsten tanzen die Bankvorstände den Politikern auf der Nase herum, wie wir das jetzt gerade in Deutschland erleben.

Wie steht DIE LINKE dazu, dass die Bundesregierung ausgerechnet auf Steuergelder der Bürgerinnen und Bürger zurückgreift, um den Scherbenhaufen zu beseitigen, den gewerbliche Investoren mit riskanten Spekulationen hinterlassen haben?

Die Bankenmanager haben eine Vollkaskomentalität entwickelt. Sie sind bereit, jedes Risiko einzugehen, da sie wissen, dass sie für den Schaden nicht aufkommen müssen. Im Gegenteil, sie werden mit hohen Abfindungen belohnt. Die Bundesregierung hat diese Entwicklung immer begünstigt. Die LINKE fordert ein Ende des Kasino-Kapitalismus. Die Steuerzahler müssen endlich vor Spekulanten und Finanzjongleuren geschützt werden. Darum fordern wir jetzt und nicht erst nach der Krise eine wirksame Regulierung der Finanzmärkte.

Kann eine Regierung überhaupt die Sicherheit von privaten Spareinlagen garantieren, wie es die Kanzlerin wiederholt getan hat?

Nein, die Bundesregierung verteilt Beruhigungspillen. Finanzkrisen sind kein neues Phänomen. Sie treffen immer die kleinen Sparer und wenn sie auf die Realwirtschaft übergreifen, was zu befürchten ist, treffen sie alle.

In der Europäischen Union gibt es eine Währung, eine Zentralbank und einen Finanzkommissar. Den Kampf gegen die Finanzkrise wollen die Bundesregierung und andere aber allein aufnehmen.

Oskar Lafontaine hat zu Recht in seiner Rede im Bundestag am 7.Oktober 2008 die Bundesregierung für ihren Alleingang kritisiert. Die Finanzkrise ist global und ist auch nur global zu lösen. Es ist schon erstaunlich, dass die Bundesregierung immer wieder die Globalisierung bemüht, wenn sie den Abbau des Sozialstaates vorantreiben will. Jetzt - in Anbetracht der globalen Finanzkrise - fällt sie plötzlich mit ihren Vorschlägen ins 19. Jahrhundert zurück.

Horst Köhler, bis zu seiner Wahl als Bundespräsident immerhin Chef des Internationalen Währungsfonds, lobt das Krisenmanagement von Merkel und Steinbrück.

Horst Köhler trägt Mitverantwortung an der globalen Finanzkrise. Er hat als Chef des Internationalen Währungsfonds versagt. Köhler hat eben nicht zur Stabilisierung und Regulierung der internationalen Finanzmärkte beigetragen. Dabei sollte das aber eines der wichtigsten Ziele des IWF sein. Dass er jetzt Merkel und Steinbrück lobt, ist deplatziert. Besser wäre gewesen, öffentlich über eigene Versäumnisse nachzudenken.

Können Sie einen gemeinsamen europäischen Weg aus der Krise heraus skizzieren?

Patentlösungen gibt es nicht. Keiner kann im Augenblick die Risiken abschätzen. Doch wir können schon jetzt sagen, dass wir eine wirksame internationale Finanzkontrolle, feste Wechselkurse und eine effektive Kontrolle der globalen Kapitalströme brauchen. Steueroasen müssen ausgetrocknet werden. Wir brauchen jetzt Konjunkturprogramme, um eine Rezession zu verhindern.

Befindet sich die westliche Industriegesellschaft geistig und moralisch in einer Krise?

Finanzkrisen sind ja kein neues Phänomen. Sie sind ein Wesensmerkmal des Kapitalismus und gehören zusammen wie Himmel und Hölle. Natürlich haben Politiker bei der Bewertung dieser Finanzkrise versagt. Sie haben alle grellen Warnsignale ignoriert und sind mit voller Wucht in die Krise gestürzt. Jetzt sind sie nur noch getriebene und unfähig, einen Fahrplan aus der Krise zu entwickeln. Die Investmentbanker konnten den Hals nicht voll kriegen und werden wahrscheinlich trotzdem nicht in der Hölle landen. Die LINKE wird sich aber dafür einsetzten, dass diese Leute keine Steuergelder in die Hand bekommen.

Um Ihre Einschätzung zu teilen, müssten sich wohl viele in Politik und Wirtschaft selbst infrage stellen?

Die Regierungspolitiker und Investmentbanker neigen nicht zur Selbstkritik. Ich kann nur hoffen, dass die Wählerinnen und Wähler im nächsten Jahr die Arroganz und Inkompetenz der verantwortlichen Politiker entsprechend bewerten werden.

linksfraktion.de, 13. Oktober 2008