An diesem Wochenende treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) zu einem virtuellen Gipfel. Mit der Kopf-Ab-Diktatur Saudi-Arabien ist ein Land Gastgeber, das Demokratie und Menschenrechte mit Füßen tritt.
Die Menschenrechtssituation in der islamistischen Monarcho-Diktatur hat sich seit dem Machtantritt von Kronprinz Mohammed bin Salman erheblich verschlechtert. Menschenrechte gelten in Saudi-Arabien nur unter Vorbehalt ihrer Vereinbarkeit mit der Scharia in wahhabitischer Auslegung. Jegliche Form von Dissens wird in der absoluten Monarchie barbarisch unterdrückt. Die brutale Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul im Oktober 2018 ist lediglich die Spitze des Eisbergs. Willkürliche Inhaftierungen und die systematische Verfolgung von Oppositionellen, Journalisten und Frauenrechtlerinnen stehen in Saudi-Arabien nach wie auf der Tagesordnung - die sehr selektiven Reformen des Landes sind nichts als Augenwischerei.
Bestes Beispiel ist die skandalöse Inhaftierung von Loujain al-Hathloul. Seit Mai 2018 ist Loujain in einem Hochsicherheitsgefängnis bei Riad inhaftiert, nachdem sie von saudischen Sicherheitsdiensten an ihrem Wohnort in Dubai (!) entführt und verschleppt wurde. Ihr Verbrechen? Sie setzt sich für die Aufhebung des Frauenfahrverbots und das Ende des repressiven männlichen Vormundschaftssystems in Saudi-Arabien ein. Bei einer Delegationsreise nach Riad durfte ich Loujain 2014 persönlich kennenlernen - eine sympathische, beeindruckende Kämpferin.
Es sind emanzipierte Frauen wie Loujain und nicht Pseudo-Feministinnen, die die Propaganda des politischen Islams verbreiten, mit denen sich progressive Frauen im Westen solidarisch zeigen sollten! Sie kämpfen für die Freiheit kein Kopftuch tragen zu müssen, sie stehen dafür ein, dass Frauen ohne die Erlaubnis oder Begleitung des Mannes Auto fahren dürfen. Kurz: Sie kämpfen für ein selbstbestimmtes Leben. Eine progressive Frauenbewegung muss an der Seite solcher Frauen stehen!
Und die Bundesregierung? Anstatt wie zu erwarten Kronprinz Mohammed bin Salman beim G20-Gipfel eine Bühne für dessen scheinheiligen Reformkurs zu bieten, sollte sie klare Worte für die dramatische Menschenrechtssituation in der Kopf-Ab-Diktatur finden. Mit Abgeordneten aus SPD, FDP und Grünen habe ich eine Gemeinsame Erklärung initiiert. Darin fordern wir die Bundesregierung dazu auf, bei den G20-Diskussionen von der saudischen Regierung mit Nachdruck Verbesserungen bei den Menschenrechten einzufordern und auf die Freilassung der politischen Gefangenen in Saudi-Arabien zu drängen. Die bedingungslose Teilnahme der Bundesregierung an den Gesprächen ist ein Schlag ins Gesicht der zahlreichen politischen Gefangenen sowie aller progressiven Kräfte in Saudi-Arabien.
Den ganzen Zynismus der Bundesregierung und der G20-Länder offenbart zudem eine im Vorfeld des Gipfels veröffentlichte Oxfam-Studie: Seit dem Eintritt des Königreichs Saudi-Arabien in den Bürgerkrieg im Jemen im Jahr 2015 haben die G20-Länder Waffen im Wert von mehr als 31 Milliarden US-Dollar an die von Saudi-Arabien angeführte Jemen-Kriegsallianz exportiert. Das ist das Fünffache (!) dessen, was die G20 an Mitteln für humanitäre Hilfe im Jemen zur Verfügung stellen.
Der Krieg hat den ohnehin bitterarmen Jemen in die schwerste humanitäre Krise weltweit gestürzt. Mehr als die Hälfte der Menschen im Jemen hat nicht genug zu essen, das Trinkwasser ist knapp. Das Land erlebt den größten Choleraausbruch seit langem, doch der Zugang zur Gesundheitsversorgung und zu Sanitäranlagen ist extrem schlecht.
Deutschland kommt laut Oxfam mit knapp 842 Millionen US-Dollar auf einen der vordersten Plätze bei den Geberstaaten für humanitäre Hilfe im Jemen. Mit Waffenlieferungen im Wert von 4,6 Milliarden Euro hat die Bundesregierung seit 2015 jedoch auch im großen Stil Rüstungsexporte an die von der Kopf-Ab-Diktatur Saudi-Arabien angeführte Kriegskoalition genehmigt.
Deutsche Rüstungsschmieden verdienen sich mit diesen skrupellosen Exporten eine goldene Nase - und die Bundesregierung leistet halbherzig humanitäre Hilfe. Der löchrige Exportstopp für Waffenlieferungen an Saudi-Arabien mag zwar vordergründig gut für das eigene Gewissen sein. Mit ihren anhaltenden gigantischen Waffenlieferungen an die anderen Länder der Kriegsallianz macht sich die Bundesregierung jedoch weiterhin mitverantwortlich für das unermessliche Leid im Jemen.
Der Waffenexportstopp für die islamistische Monarcho-Diktatur in Riad muss unbedingt verlängert werden! Ausnahmen darf es keine mehr geben. Auch Waffenexporte an die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten, die zur saudischen Kriegsallianz zählen, gehören unterbunden. DIE LINKE fordert außerdem: Freiheit für Loujain al-Hathloul und alle anderen politischen Gefangenen! Solidarität mit den mutigen Frauen und Männern in Saudi-Arabien bei ihrem Kampf für Menschenrechte und Demokratie!