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Für einen Kurswechsel in Europa

Im Wortlaut von Sahra Wagenknecht,

                                                                                                              Foto: Jakob Huber

Von Sahra Wagenknecht, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Sigmar Gabriel reist heute nach Griechenland und will dort u.a. mit Ministerpräsident Tsipras sprechen. Griechenland hat das Gesicht einer undemokratischen und unsozialen EU in seiner hässlichsten Form zu sehen bekommen: Einem überschuldeten Land wurden noch mehr Schulden aufgedrängt, um Banken zu retten, es wurde trotz Rekordarbeitslosigkeit zu brutalen Kürzungen gezwungen, die die Wirtschaft in die Depression trieben, und der per Referendum artikulierte Mehrheitswille wurde ins Gegenteil verkehrt.

Griechenland ist deshalb ein guter Ort, um ein Programm für ein anderes Europa vorzulegen.

Erster und wichtigster Baustein wäre ein couragiertes Antikrisenprogamm. Statt weiterhin Finanzmarktblasen anzuheizen, sollte die EZB endlich beginnen, direkt öffentliche Investitionen finanzieren: in Infrastruktur, innovative Technologien und ökologischen Umbau. Zweitens muss – in Griechenland wie in ganz Europa – die öffentliche Verschuldung verringert werden. Aber statt eine schleichende Entschuldung durch negative Realzinsen und damit über die Enteignung von Kleinsparern voranzutreiben, wie das aktuell geschieht, wäre eine europaweite Vermögensabgabe für Multimillionäre und Milliardäre der gerechtere und zudem weit wirksamere Weg. Immerhin ist in Griechenland wie im Rest des EU in den letzten Jahren nicht nur die Armut, sondern auch der Reichtum der Reichsten weiter gestiegen. Darüber hinaus muss etwas gegen die wachsenden Ungleichgewichte im Euroraum getan werden, die viel mit dem infolge der Agenda 2010 entstandenen großen Niedriglohnsektor in Deutschland zu tun haben. Auch da besteht Handlungsbedarf.

Wenn es Sigmar Gabriel ernsthaft um einen europäischen Neuanfang geht, um die Reduzierung von Ungleichheit und um neue europäische Regeln, die den Wohlstand und die soziale Sicherheit der Menschen über die Freiheit entfesselter Märkte stellen, hat er unsere Unterstützung. Es geht dann allerdings um mehr als um kleine Reparaturen an einem lecken, aber trotz Schieflage immer noch mit voller Kraft in die falsche Richtung segelnden Kahn. Es geht um einen grundlegen Kurswechsel.

linksfraktion.de, 30. Juni 2016