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Flexible Arbeitszeiten: Arbeitgeber haben viele Möglichkeiten, Beschäftigte kaum

Nachricht von Jutta Krellmann,

Auswertung der Antwort der Bundesregierung (PDF) auf die Kleine Anfrage "Flexibles Arbeiten in Deutschland" (Drs. 19/369) von Jutta Krellmann u.a. und der Fraktion DIE LINKE im Bundestag

 

Zusammenfassung:

Flexibilisierte Arbeitszeiten haben deutlich zugenommen. Arbeitszeitkonten, die es vor allem den Unternehmen ermöglichen, die Arbeitszeit der Beschäftigten an den betrieblichen Bedarf anzupassen, sind mittlerweile in den meisten Branchen weit verbreitet. Flexibilisierungsmöglichkeiten, die den Beschäftigten zugutekommen und die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben erleichtern, sind dagegen noch immer rar gesät und kommen in erster Linie Hochqualifizierten mit hohen Verdiensten zugute.

Die Zahl der Beschäftigten, für die eine Regelung zu Arbeitszeitkonten gilt, ist von 13,7 Millionen im Jahr 2006 auf 20,8 Millionen im Jahr 2016 angestiegen. Das ist ein Zuwachs um 52 Prozent. 2006 hatten 
42 Prozent aller Beschäftigten ein Arbeitszeitkonto, 2016 bereits 
56 Prozent. Umso größer der Betrieb, umso größer der Anteil der Beschäftigten mit Arbeitszeitkonto: In Betrieben mit einem bis zehn Beschäftigten sind es lediglich 25 Prozent, mit mehr als 500 Beschäftigten hingegen 75 Prozent. Ähnlich ist die Entwicklung bei der Zahl der Betriebe mit Arbeitszeitkonto: Sie ist um 56 Prozent angestiegen, sodass nunmehr ein Drittel aller Betriebe und 84 Prozent der Großbetriebe Regelungen zu Arbeitszeitkonten haben. Dies bestätigt sich auch bei der Vertrauensarbeitszeit: 53 Prozent der Großbetriebe haben entsprechende Regelungen und nur 28 Prozent der Betriebe mit einem bis zehn Beschäftigten.

Während es für die Arbeitgeber weitreichende Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Arbeitszeit gibt, sind für die Beschäftigten selbstbestimmte Arbeitszeiten kaum verbreitet. Nur neun Prozent der Beschäftigten haben mit ihrem Arbeitgeber Home-Office vereinbart. Mit elf Prozent sind das deutlich mehr Männer als Frauen mit sieben Prozent. Der Anteil ist mit 17 Prozent bei Hochqualifizierten signifikant höher als bei Beschäftigten mittlerer und niedriger Qualifikation 
(5 bzw. 2 Prozent). Wer viel verdient, arbeitet häufiger von zu Hause: 
26 Prozent der Beschäftigten mit einem Lohn über 4.500 Euro gegenüber vier Prozent mit einem Verdienst unter 2.500 Euro. Aber es gibt einen Zusammenhang zwischen Home-Office und Überstunden: Umso mehr Überstunden geleistet werden, umso höher ist der Anteil von Home-Office.

Nur zwei Prozent der Betriebe bieten die Möglichkeit für größere Arbeitszeitguthaben oder Sabbaticals. Der Anteil steigt ebenfalls mit der Betriebsgröße. Wenn es einen Betriebsrat oder einen Tarifvertrag gibt, gibt es häufiger Regelungen für größere Arbeitszeitguthaben und Sabbaticals.

Die Gestaltung der Arbeitszeit hat Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten. Während Beschäftigte mit großen Einflussmöglichkeiten auf ihre Arbeitszeit deutlich seltener gesundheitliche Beschwerden haben, weisen Beschäftigte, deren Arbeitszeit sich häufig betriebsbedingt ändert, einen schlechteren Gesundheitszustand auf und sind unzufriedener mit ihrer Arbeitszeit.

 

O-Ton Jutta Krellmann, MdB, Expertin für Arbeit und Mitbestimmung für DIE LINKE im Bundestag:

"Wenn es um Zeitbedürfnisse der Menschen geht, ist Ehrlichkeit wichtig. Eine Debatte um Arbeitszeit macht gesellschaftlich nur Sinn, wenn sie nicht ausschließlich Beschäftigte in privilegierten Jobs zum Maßstab nimmt. Wir brauchen Vorschläge für Krankenpfleger, Industriemechaniker oder die Busfahrerin im Dreischichtsystem. Für die meisten Beschäftigten ist Flexibilität eine Einbahnstraße – je nach Auftragslage arbeiten sie bis zum Umfallen oder müssen fremdbestimmt zuhause bleiben. Die unternehmerischen Risiken werden auf die Beschäftigten verlagert, ihre Gesundheit und ihr Privatleben bleiben dabei auf der Strecke. Statt dem Geheule der Arbeitgeber brauchen wir endlich ein Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit – für alle. Es muss heißen: Mein Leben – meine Zeit."


Die Ergebnisse im Einzelnen finden Sie in diesem PDF.