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Ein Aussteller mit dem Logo und der Aufschrift: Agentur für Arbeit © iStock/Tree4Two

FDP darf nicht Hemmschuh für anständigen Sozialstaat sein

Nachricht von Amira Mohamed Ali, Dietmar Bartsch, Jan Korte, Jessica Tatti,

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat am Mittwoch erste Details für die Umwandlung von Hartz IV in Bürgergeld vorgestellt, die 2023 erfolgen soll. Demnach sollen Sanktionen in den ersten sechs Monaten der Bezugsdauer entfallen. Ehrenamtliches Engagement soll stärker gefördert und Weiterbildungen besser bezahlt werden. Bürgergeld-Bezieher soll künftig zwei Jahre lang bis zu 60.000 Euro Vermögen haben dürfen und in dieser Zeit in ihrer Wohnung bleiben, auch wenn diese vom Jobcenter eigentlich als zu groß beschieden wird. Für die in Aussicht gestellte Erhöhung des Regelsatzes nannte Heil keinen konkreten Betrag. Sozialverbände und Linksfraktion begrüßen die Reform grundsätzlich, äußern aber in etlichen Punkten deutliche Kritik.

So Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali: "Natürlich begrüßen wir jede Verbesserung, aber was es wirklich braucht ist eine klare Abkehr vom schädlichen System Hartz IV. Das Sanktionsregime muss sofort beendet werden. Wir fordern außerdem einen fair berechneten Regelsatz von mindestens 687 Euro, plus Strom und Haushaltsgeräte. Mit weniger geben wir als Linke uns nickt zufrieden. Bis zu dieser Reform müssen die explodierenden Lebenshaltungskosten durch eine Pauschale von mindestens 200 Euro monatlich abgefedert werden. Andernfalls drohen schlimmste soziale Verwerfungen. Bereits jetzt ist die Lage für viele dramatisch. Es ist die Pflicht der Bundesregierung das zu verhindern."

Co-Vorsitzender Dietmar Bartsch findet positiv, "dass diese Reform es schaffen würde, zu einem Sozialstaat zu kommen, der die Menschen als mündige Bürger behandelt. Bisherige Schikanen müssen endlich dauerhaft weg." Inakzeptabel sei allerdings, "dass es keine konkrete Summe bei den Regelsätzen gibt. Das ist verschieben, vertrösten, letztlich veräppeln der Leistungsempfänger wie der Steuerzahler." Hier müsse Heil schleunigst nachlegen. "Entscheidend wird am Ende sein, ob Hubertus Heil seinen Vorschlag in der Regierung und im Parlament durchsetzen kann oder wie bei der Grundrente der zunächst vernünftige Entwurf total verwässert wird. Die FDP darf nicht Hemmschuh für einen anständigen Sozialstaat sein", mahnt Bartsch.

Skeptisch äußert sich Arbeitsmarktexpertin Jessica Tatti: "Hubertus Heil bleibt zur Höhe der Regelsätze maximal schwammig. Damit geht die Zitterpartie für die Betroffenen weiter. Die hohe Inflation auf Lebensmittel und Strom frisst die ohnehin zu niedrigen Regelsätze auf. Der Druck im Kessel wird zu hoch. DIE LINKE hat es vorgerechnet: Ohne die schmutzigen Rechentricks der Bundesregierung und mit einem angemessenen Inflationsausgleich, müsste der Regelbedarf für Alleinlebende 687 Euro betragen. Am Ende bleibt es dabei: Kosmetische Änderungen und ein neuer Name schaffen weder Augenhöhe noch Würde. Werden die Regelsätze nicht deutlich erhöht, wird das Bürgergeld zum Etikettenschwindel."

Jan Korte, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion, hat den Verdacht, dass "bei Heil die Angst vor Lindner so groß ist, dass seine Schere im Kopf nur noch Dürftiges zulässt. Von einem armutsfesten Bürgergeld kann keine Rede sein. Wer angesichts einer galoppierenden Inflation den Regelsatz gerade einmal um 10 Prozent statt der nötigen 50 Prozent erhöhen will, versagt auf ganzer Linie und macht sich an der drohenden Massenverarmung mitschuldig. Der Regelsatz muss sofort und nicht erst nächstes Jahr auf das Existenzminimum von 687 Euro erhöht werden. Außerdem brauchen wir noch vor dem Herbst ein weiteres Entlastungspaket gegen die explodierenden Energie- und Heizkosten von monatlich mindestens 200 Euro."