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Fast die gesamte Welt ist ausgeschlossen

Interview der Woche von Heike Hänsel,

Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zieht eine Bilanz des diesjährigen G8-Gipfels

Wie alt werden Sie im Jahre 2050 sein?

Vierundachtzig - wenn ich so viel Glück habe wie meine Großmutter, die sechsundneunzig Jahre alt geworden ist.

Dann könnten Sie ja durchaus noch in den Genuss des bis dahin halbierten CO2-Ausstoßes kommen, auf den sich der G8-Gipfel jetzt geeinigt hat.

Dieses "Ergebnis" ist wirklich der Gipfel. Da benennen diese Regierungschefs Zeiträume, die sie selbst nicht mehr erleben werden, ohne konkrete Schritte, kurzfristige Ziele oder ähnliches vorzuschlagen. Das war nichts als viel heiße Luft, die auch noch zur Klimaerwärmung beiträgt.

Worauf gründet Ihre Skepsis gegenüber den "Großen 8" und ihren Gipfelbeschlüssen?

Wir haben ja bereits bei den letzten Versprechungen von Angela Merkel in Heiligendamm gesehen, wie gering die Halbwertszeit ihrer Klima-Ankündigungen ist. Kurz nach dem Gipfel hatte sie bereits wieder die Interessen der deutschen Automobilindustrie über die CO2-Einsparungen auf europäischer Ebene gestellt. Auch die großen Finanzierungszusagen für die Entwicklungshilfe werden nicht eingehalten.

Sie heben auf den Haushaltsentwurf für 2009 ab, den die Bundesregierung noch kurz vor der G8-Reise der Kanzlerin verabschiedet hat.

Genau. Es gibt zwar mehr Geld für den Entwicklungsetat nächstes Jahr - aber bei weitem nicht genug, wenn die Bundesregierung ihre Versprechungen einhalten will. Der Etat liegt bei gerade einmal 14 Prozent der gemachten Zusagen auf dem Gipfel in Gleneagles 2005. Zum Vergleich: Bei der letzten Bankenkrise war es dem Finanzminister möglich, binnen Tagen 7-8 Milliarden Euro zu mobilisieren. Warum geht das nicht, um weltweit Armut, Hunger und Krankheiten zu bekämpfen?

Nun können einzelne Staaten für sich oder durch bilaterale Vereinbarungen nur sehr begrenzt Klimaschutz vorantreiben, sondern sind auf eine möglichst große Gemeinschaft angewiesen, die hierbei die gleichen Ziele verfolgt. Es braucht als ein internationales Gremium oder Forum hierfür.

Ja, aber das sind natürlich nicht diese Gipfel und ihre dazugehörigen Vorbereitungstreffen. Dort ist fast die gesamte Welt ausgeschlossen, China, Indien, Brasilien, Südafrika dürfen am letzten Tag am Katzentisch Platz nehmen - was für eine Arroganz! Diese Herausforderungen müssen ausschließlich im Rahmen der UNO und vielleicht einem neuen "Klimarat", an dem die Zivilbevölkerung beteiligt wird, verhandelt werden.

DIE LINKE fordert eine friedliche und ökologische Energiewende, um weitere Ressourcenkriege zu verhindern. Wäre es auf dem Weg dahin nicht durchaus sinnvoll, Atomenergie solange friedlich zu nutzen, bis der Energiebedarf tatsächlich durch erneuerbare Energie gedeckt werden kann? Die SPD denkt ja bereits über verlängerte Laufzeiten bundesdeutscher AKWs nach.

Momentan läuft eine enorme Propaganda der Atomlobby. Lösungen für die Energiekrise bringt das aber nicht. 1. Kernenergie kann immer zivil und militärisch genutzt werden. 2. Die Risiken der Atomenergie und ihre radioaktiven Abfälle werden dadurch potenziert. 3. Längere Laufzeiten werden die Energie nicht billiger machen, da dies strukturelle Probleme der Monopolstellung der Energiekonzerne sind, deshalb ist es dringend notwendig, die Energiekonzerne zu rekommunalisieren und in kleinere Einheiten zu zerschlagen. 4. Wir müssen dringend in mehr Energieeffizienz und die massive Förderung der regenerativen Energien investieren. Dazu ist die Atomkraft keine Alternative.

Ihr Fraktionskollege Aydin hat ja auch kritisiert, dass in Toyago besser über die Beseitigung von Hunger und Armut als über Atomstrom hätte diskutiert werden sollen.

Ja klar, das war ein plumper Versuch von George W. Bush, die Renaissance der Atomenergie einzuläuten und gleichzeitig die drängenden Fragen der Verteuerung von Lebensmitteln in den Hintergrund zu drücken. Aber gerade hier wäre es überfällig, die Förderung der Biokraftstoffe sofort zu stoppen und auch die Spekulation mit Lebensmitteln an der Börse einzudämmen - z.B. durch ein Verbot der Hedge-Fonds.

Wird DIE LINKE den G8-Gipfel nach der Sommerpause in irgendeiner Form im Bundestag thematisieren?

Dieser Gipfel war - wie die vorherigen auch - überflüssig. Insofern sollten wir im Parlament den Druck erhöhen, dass diese Gipfelpolitik diskreditiert wird. Wir setzen uns stattdessen für eine demokratische, partizipative Politik des Friedens und der Entwicklung von unten ein.

linksfraktion.de, 14. Juli 2008