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Expertenanhörung: Schlupflöcher der Rüstungsindustrie schließen

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

Von Sevim Dagdelen, stellvertretende Vorsitzende und abrüstungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag: 

Auf Initiative der Fraktion DIE LINKE fand am 30. Januar im Bundestag eine Expertenanhörung zur Rüstungsproduktion statt. Hintergrund sind die Schlupflöcher in der Außenwirtschaftsverordnung, die es Rüstungskonzernen ermöglichen, eigenes Fachpersonal mit seinem in Deutschland gewonnenen Expertenwissen an Tochterfirmen zu entsenden, etwa nach Saudi-Arabien oder in die Türkei.

Wir meinen, wenn eine Führungskraft aus der deutschen Rüstungsindustrie zu ausländischen Rüstungsfirmen wechselt oder ausgeliehen wird, muss das genehmigungspflichtig sein wie die Ausfuhr von Panzern oder Schnellfeuergewehren. Die Fraktionen DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen wollen daher für diesen speziellen Bereich eine generelle Genehmigungspflicht einführen und haben dazu einen Antrag eingebracht. Die Expertenanhörung im Unterausschuss für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung hat gezeigt, dass dies richtig und auch problemlos zu realisieren ist. Bestehende Regelungslücken können durch einfache Änderungen der Außenwirtschaftsverordnung umgehend geschlossen werden.

Dr. jur. Arnold Wallraff, Präsident des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) a.D., hat in seiner Stellungnahme für die Anhörung im Untersuchungsausschuss auf ein weiteres Problem verwiesen: Eine Beteiligung deutscher Firmen an einem ausländischen Unternehmen, das Rüstungsgüter herstellt, sei derzeit „in jeglicher Hinsicht exportkontrollfrei“. Anteilserwerbe deutscher Unternehmen an ausländischen Rüstungsunternehmen würden „exportkontrollrechtlich nicht erfasst“. Sie unterlägen allenfalls über das Kartellrecht der deutschen oder europäischen, rein wettbewerblich orientierten Fusionskontrolle.“

Das könne besonders dann zu sehr weitreichenden „kontrollfreien Sachverhalten“ führen, wenn inländische Rüstungsunternehmen sich an ausländischen Rüstungsunternehmen beteiligen und eigene dorthin entsandte Mitarbeiter technische Unterstützung als „Expats“ leisten. „Bloße Ideen sind keine Technologien und damit nicht kontrollpflichtig.“

Dr. Wallraff: „Die Kombination aus Ressourcen- bzw. Kapital- und Wissenszufluss ermöglicht es so inländischen Unternehmen, im Ausland über ein Beteiligungsunternehmen Rüstungsgüter zu entwickeln und zu produzieren, ohne dass die deutsche Exportkontrolle eingreifen kann, jedenfalls dann, wenn kein exportkontrollpflichtiger Technologieexport vorliegt.“

Die Sicht wird von Otfried Nassauer, Leiter des Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS), geteilt. In seiner Stellungnahme für die Anhörung verweist der Friedensforscher darauf, dass der Bundesregierung derzeit eine geeignete Möglichkeit fehlt, „um Einfluss auf das Exportgebaren ausländischer Töchter und Beteiligungen deutscher Rüstungsunternehmen nehmen zu können, vor allem dann, wenn diese bei ihren Exportgeschäften auf den Einsatz deutscher Technologierechte verzichten“.


Sevim Dagdelen wies bereits im November im Bundestag auf die Schlupflöcher in der Außenwirtschaftsverordnung hin, die es Rheinmetall ermöglichen, Munition trotz des bestehenden Ausfuhrstopps an Saudi Arabien zu liefern:


Wissenstransfer deutscher Rüstungskonzerne, die Gründung von Tochterfirmen oder eine mehrheitliche Beteiligung an Joint Ventures in Drittstaaten soll fortan nur möglich sein, wenn dem die Bundesregierung ausdrücklich zustimmt.

Es liegt an der Koalition, an der Kanzlerin Merkel und an Außenminister Maas, den politischen Willen aufzubringen und den Mut, den Rüstungskonzernen Grenzen zu setzen. Nur durch die Schließung der Gesetzeslücken wird wirklich verhindert, dass deutsche Waffenschmieden ihr Know-how zum Bau von Kriegswaffen unkontrolliert in Diktaturen sowie Spannungs- und Krisengebiete gewinnbringend verkaufen können.

Die Fraktionen DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen werden die aus der Expertenanhörung gewonnen Erkenntnisse aufgreifen und einen entsprechenden Antrag in den Bundestag einbringen. Unser Ziel bleibt die rasche Schließung der bestehenden Regelungslücken.


Antrag „Genehmigungspflicht für die technische Unterstützung von Rüstungsproduktion im Ausland einführen“ von Sevim Dagdelen (DIE LINKE) und Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen)