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Exklusiver Klub schlittert tiefer in exklusive Krise

Im Wortlaut,

Schwellenländer melden selbstbewusst Ansprüche an

Die G8 sind sich ihrer sinkenden Legitimität als informelle Weltregierung durchaus bewusst. Auch in Toyako luden sie ausgewählte Schwellen- und Entwicklungsländer ein, um diesem Defizit zu begegnen. An einem gleichberechtigten Dialog besteht jedoch weiter keinerlei Interesse.

Inzwischen hat es schon Tradition: Am letzten Gipfeltag öffnet sich der exklusive G8-Klub für ausgesuchte Gäste. Aus den G8 werden mindestens G16. An wirtschaftlich aufstrebenden Ländern wie China, Indien und Brasilien führt kein Weg vorbei, wenn man globale Probleme angehen will - von lösen ganz zu schweigen. Das gilt für den Klimaschutz, die Energie- und Nahrungsmittelkrise gleichermaßen, und selbst bei der Finanzkrise könnte China mit seinen immensen Währungsreserven von über einer Billion US-Dollar einen Stabilisierungsbeitrag leisten.

China auf der Überholspur

Das Selbstbewusstsein der Schwellenländer ist unverkennbar gewachsen. Das hat gute Gründe: China ist inzwischen die viertgrößte Volkswirtschaft hinter den USA, Japan und Deutschland, legt man die Kaufkraft des Bruttoinlandsprodukts zugrunde, rangiert das Reich der Mitte hinter den USA sogar auf Platz zwei - deutlich vor Japan. China ist in der Gruppe der Fünf (G5), zu der auch Indien, Mexiko, Brasilien und Südafrika gehören. Die G5 pochten in Toyako darauf, nur im Rahmen ihrer wirtschaftlichen und technologischen Fähigkeiten zu einem neuen Klimaschutzabkommen beitragen zu müssen. Und sie forderten gemeinsam mit den ebenfalls am Tisch sitzenden Australien, Malaysia und Südkorea die G8 auf, doch ihre CO2-Emissionen bis 2050 gefälligst um mindestens 80 Prozent zu senken. Solch selbstbewusste Ansagen sind relativ neu, und sie beschränken sich nicht auf die Klimadiskussion.

Auch in Sachen Simbabwe ist die Position klar: Während die G8-Staaten bis auf Russland Sanktionen befürworten, stößt dies nicht nur bei Südafrikas Präsident Thabo Mbeki, sondern selbst beim erklärten Mugabe-Kritiker Abdoulaye Wade, Präsident Senegals, auf Ablehnung: »Sanktionen würden das Regime nicht ändern.« Die haben die G8 nur deswegen nicht beschlossen, weil Russland es verhindert hat. Ähnlich wie die afrikanischen Staaten und die G5 setzt Russland auf »breite Verhandlungen« auf nationaler Ebene, einschließlich anderer afrikanischer Führer.

Und seit dem im Patt endenden Gipfel der Welthandelsorganisation im Dezember 2005 in Hongkong beharren die Schwellenländer auf ihrer Position, dass sich die G8 in Sachen Agrarsubventionen und Marktöffnung definitiv bewegen müssten, damit die Welthandelsrunde wiederbelebt werden könnte. Eine Forderung, die in Toyako wieder auf den Tisch gebracht wurde. Die Staats- und Regierungschefs der G5 sprachen sich zwar für einen baldigen Abschluss der Welthandelsrunde aus, doch Voraussetzung sei der Abbau der Handelsbarrieren und landwirtschaftlicher Subventionen in den G8-Staaten. Ziel müsse die Schaffung eines »gerechten, offenen, vernünftigen und nicht diskriminierenden internationalen Handelssystems« sein, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung, die vor dem Treffen mit den Führern der G8-Staaten USA, Deutschland, Kanada, Japan, Russland, Frankreich, Großbritannien und Italien veröffentlicht wurde. Die Schwellenländer beklagten »protektionistische Verzerrungen«, finanzielle Ungewissheiten und die steigenden Öl- und Getreidepreise. Besorgt äußerten sie sich auch über die Inflation.

Um ein stabiles und transparenteres internationales Finanzsystem zu schaffen, müsse in der Entscheidungsfindung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank deutlich besser auf die Stimme der Entwicklungsländer gehört werden. Die Stimmrechtsreform beim IWF kommt jedoch nur schleppend voran, und am Vetorecht der USA wird nicht gerüttelt.

Überholtes Konzept G8

Auch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel ist neben anderen Staatenlenkern bewusst, dass das Konzept der G8 möglicherweise überholt sein könnte. »Kein Land allein kann heute die Probleme der Welt lösen«, sagte sie am Mittwoch kurz vor ihrem Heimflug. Das Format G8 will sie im Prinzip jedoch nicht ändern. Immer wichtiger werde aber die Rolle der als aufstrebende Volkswirtschaften bezeichneten Nationen China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika.

Unter Merkels Vorsitz war im vergangenen Jahr der sogenannte Heiligendamm-Prozess ins Leben gerufen worden, der eine enge politische und wirtschaftliche Abstimmung mit der G5 auch außerhalb der Gipfel sicherstellen soll. Mehr als einen unverbindlichen Dialog jedoch haben die G8 nicht im Angebot. Exklusivität verträgt keine Schwellenländer. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte schon bei ihrer Regierungserklärung zum G8-Gipfel in Heiligendamm einer Erweiterung des exklusiven G8-Clubs eine deutliche Absage erteilt. »Wir wollen die G8 nicht zu einer G13-Gruppe erweitern.« Die G8 verstünde sich nicht nur als Klub der starken Wirtschaftskräfte, sondern auch als Wertegemeinschaft, lautete das Argument. Nur Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy spricht sich unter den G8-Bossen für eine begrenzte Erweiterung aus: »Ich gehöre zu denen, die es für unsinnig halten, dass wir uns weiterhin zu acht treffen, um die großen Probleme der Welt zu lösen, ohne China mit 1,3 Milliarden Einwohnern oder Indien mit einer Milliarde Einwohnern einzuladen.«

Bereits seit 2001 werden die G5 zum »Dialog« eingeladen. Vor allem China wird immer wieder als mögliches künftiges Mitglied genannt. Politisch ließe sich eine Erweiterung der G8 auf eine G13 gut als Demokratiegewinn verkaufen. Die Gruppe würde dann formal über 50 Prozent statt nur zwölf Prozent der Weltbevölkerung vertreten. Die Kritik an der Institution des exklusiven Staatenklubs würde ein solcher Schritt kaum mindern: Denn die gilt nicht nur der Tatsache, dass sich wenige Staatschefs anmaßen, über das Los von Milliarden von Menschen zu entscheiden. Die Kritik gilt auch dem Wirtschaftssystem, das die G8 wie kaum eine andere Institution repräsentiert. Und das dient im Norden wie im Süden den Eliten.

Von Martin Link

Neues Deutschland, 10. Juli 2008