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Türkische Soldaten entladen am 11. Oktober 2019 in der Grenzstadt Akcakale einen Lkw der türkischen Armee @ REUTERS/Khalil AshawiFoto: REUTERS/Khalil Ashawi

Erdogans Pakt

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen, junge Welt,

Türkei und islamistischer Terror

Es sind zwei Seiten einer Medaille: einerseits die politische Verfolgung derjenigen, die in der Türkei gegen die Eroberung von Kobani in ­Syrien durch die dschihadistischen Terroristen des IS demonstrierten. Andererseits die fortgesetzte militärische Unterstützung des NATO-Mitglieds Türkei im besetzten Norden Syriens in der Provinz Idlib und Aleppo für ein islamistisches Schreckensregime von Al-Qaida und anderen ­Mörderbanden wie der Turkestan ­Islamic Party, deren Ziel es ist, ein Scharia-Regime in Xinjiang im Westen Chinas zu errichten.

Erdogans Pakt mit dem Teufel wäre nicht möglich ohne die Unterstützung der NATO für die Regime-Change-Politik der Türkei in Syrien. Die zahlreichen Kriegsverbrechen der islamistischen Organisationen gegen Kurden, Christen, Armenier und Jesiden, gut dokumentiert wie im kurdischen Afrin von internationalen Menschenrechtsgruppen, ficht die NATO, laut Präambel Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verpflichtet, nicht an. Erdogan ist in der NATO der Mann fürs Grobe. Darauf soll es keinen Hinweis geben. Wie auch nicht auf die islamistischen Mörderbanden, die in Idlib die Kontrolle ausüben. So nimmt es nicht wunder, dass die Bundesregierung den Kobani-Prozess nicht verurteilt. Moderat wird lediglich darauf verwiesen, dass, wer politische Äußerungen kriminalisiere, die Axt an die Fundamente der Demokratie lege. Kein Wort zum Skandal, dass heute diejenigen bestraft werden sollen, die 2014 gegen eine Machtübernahme des IS in Kobani demonstrierten. Die Türkei soll in der NATO bei guter Laune gehalten werden, auch wenn Demokraten und Kurden dabei zugrunde gehen.

Berlin bleibt Ankaras bester Verbündeter. Während selbst die USA jetzt unter US-Präsident Joseph Biden den Völkermord an den Armeniern anerkennen und sich bei Erdogan und seiner islamistisch-faschistischen Koalition in Ankara unbeliebt machen, setzt die Bundesregierung auf Business as usual. Weiter werden Waffen geliefert. Weiter wird versucht, mit Finanz- und Wirtschaftshilfen den freien Fall der türkischen Lira infolge der desaströsen Finanzpolitik Erdogans und seiner zahlreichen Kriegsabenteuer von Libyen bis Berg-Karabach zumindest abzufedern.

Die Türkei zählt allein als Profitzentrum deutscher Konzerne und geopolitisches Sprungbrett für den Nahen und Mittleren Osten. Damit das in Zukunft noch besser wird, ist die Bundesregierung die treibende Kraft für eine Erweiterung der Zollunion. Wer an notwendiger Solidarität mit den politisch Verfolgten in der Türkei ehrlich interessiert ist, muss der Kumpanei der Bundesregierung mit Erdogan den Kampf ansagen.

junge Welt,