Zum Hauptinhalt springen

Energiewende herbeiführen und sozial abfedern

Interview der Woche von Eva Bulling-Schröter, Dorothée Menzner,

Eva Bulling-Schröter, Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundestages sowie umweltpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, und Dorothée Menzner, energiepolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, erläutern, warum Klimaschutz auch eine soziale Frage ist. CDU-Umweltminister Röttgen ist für sie wegen seines Festhaltens am Atomendlager Gorleben ein »Sicherheitsrisiko«.

Der Klimagipfel, der im Dezember des vergangenes Jahres im dänischen Kopenhagen stattgefunden hat, gilt als gescheitert: Konkrete Ansprachen, um die Emission von Treibhausgasen zu verringern, wurden nicht beschlossen. „Viel heiße Luft statt konkreter Verpflichtungen“, haben Sie kritisiert und die Bundesregierung für das Scheitern mit verantwortlich gemacht. Was ist seitdem passiert?

Eva Bulling-Schröter: Bis jetzt haben 76 Länder den Copenhagen-Accord unterstützt, indem sie ihre eigenen Begrenzungsziele für den Treibhausgasausstoß in eine Liste der UN eingetragen haben. Dieses Klingelbeutelsystem soll zunächst konkrete Verpflichtungen ersetzen. Die Summe ergibt dann auch global nur eine Minderung, die viel zu gering ist. Die Welt würde sich im Schnitt um 3,5 Grad erwärmen. 2 Grad wären aber maximal tolerierbar. Die EU will bis 2020 bedingungslos nur um 20 Prozent runter gegenüber 1990 - mit ausdrücklicher Unterstützung Deutschlands. 30 bis 40 Prozent wären aber notwendig. Inzwischen ist ein rechtsverbindliches Abkommen in weite Ferne gerückt, vor allem wegen der Blockade gegen einen ambitionierten Klimaschutz durch die USA. Experten rechnen mit einem Post-Kyoto-Vertrag frühestens 2014.

Sie haben nach dem Klimagipfel in Kopenhagen eine neue Bewegung für Klimagerechtigkeit gefordert, an der sich Umweltverbände, Kirchen und linke Bündnisse beteiligen sollen. Können Sie erste Erfolge vermelden?

Eva Bulling-Schröter: Momentan gibt es eine interessante Debatte bei den Umweltverbänden. Viele wollen weniger Kraft und Geld ins Konferenzhopping verschwenden. Eine eher aktions- und bündnisorientierte Arbeit vor Ort scheint ihnen erfolgversprechender. Etwa mit Stromwechselkampagnen oder Kraftwerksblockaden. Zudem gibt es jede Menge neuer Debatten um das Wachstumsdogma dieser Gesellschaft und dessen Auswirkung auf Klimaschutz und globale Gerechtigkeit. Man muss sehen, was davon länger wirkt.

Als Niedersächsin sind Sie seit Jahren Teil einer Bewegung gegen die Castor-Transporte und gegen das Atom-Endlager in Gorleben. Umweltminister Röttgen (CDU) hält trotz mannigfacher, wissenschaftlich belegter Bedenken an Gorleben fest. Ist der Umweltminister ein Umweltrisiko?

Dorothée Menzner: Der Umweltminister ist ein Sicherheitsrisiko. In der Asse haben wir eine ökologische Katastrophe produziert, und Gorleben scheint als Endlager auch ungeeignet zu sein. Es gibt kein Endlagerkonzept. Unter diesem Gesichtspunkt weiter radioaktiven Müll zu produzieren, ist fahrlässig und gefährlich. Das vehemente Schreien nach Laufzeitverlängerung ist wissenschaftlich und energiepolitisch nicht vernünftig begründbar. Da kann man zu dem Schluss kommen, dass die Koalition und auch der Umweltminister sich einfach nur als Lobbyisten der großen Energiekonzerne betätigen und ihr die Interessen der Bevölkerung dabei aber offensichtlich egal sind.

Im Mai kommen rund 3000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einer Klima-Konferenz in Bonn zusammen. Was erwarten Sie von dieser Zusammenkunft?

Eva Bulling-Schröter: Es ist ein Treffen auf Einladung Deutschlands auf Ministerebene, allerdings jenseits des offiziellen UN-Prozesses. Die Konferenz soll diesen aber unterstützen, quasi die UN-Klimakonferenz im Dezember in Cancun mit vorbereiten. Dort ist Mindestziel, bestimmte Teile des immer noch unverbindlichen Copanhagen Accords in verbindliche Entscheidungen der UN zu überführen - so zum Waldschutz oder zu Finanzierungsmechanismen. An ein Abkommen glaubt aber, wie gesagt, niemand.

DIE LINKE kämpft nicht nur gegen Atomkraft, sondern auch gegen Kohlekraft werke. Sie haben das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts begrüßt, ein von E.ON geplantes Steinkohlekraftwerk im nordrhein-westfälischen Datteln nicht zu bauen. Was spricht gegen dieses Kraftwerk?

Dorothée Menzner: Gegen dieses Kraftwerk sprechen grundsätzlich klimapolitische Ziele und die fortschreitende Anreicherung der Atmosphäre mit Treibhausgasen. Abgesehen davon ist der Kraftwerksbau in Datteln ohne gültigen Bebauungsplan, also ohne Genehmigung, begonnen worden. Kohle ist keine zukunftsfähige Energiequelle. Es zeigt sich jetzt schon, dass große Kohle- und Kernkraftwerke zu unflexibel sind, um in einem Energienetz auf Basis erneuerbarer Energien zu bestehen. Wer jetzt noch Kohlekraftwerke bauen will, schafft damit Probleme für die Zukunft und behindert den Ausbau erneuerbarer Energien.

Warum ist Klimaschutz Ihrer Meinung nach auch eine soziale Frage?

Eva Bulling-Schröter: Schaffen wir die Wende im Klimaschutz nicht, dann werden vor allem Menschen im globalen Süden darunter leiden. Und Hunger, Krankheiten, Vertreibung oder Tod sind zutiefst soziale Fragen. Findet dagegen eine Energiewende statt, hat das Strukturbrüche zur Folge. Es entstehen viele neue Arbeitsplätze, alte fallen aber auch weg. Das muss sozial abgefedert werden.

Welchen Weg will DIE LINKE in der Energiepolitik gehen?

Dorothée Menzner: DIE LINKE geht bereits jetzt einen Weg, der auf einen Systemwandel bei der Energieerzeugung abziehlt. Wir sind vehement gegen Atomkraft, dafür setzen wir uns für Rohstoff- und Ressourceneinsparung und Energieeffizienz ein. Wir setzen auf erneuerbare Energien, Strom aus Wind, Wasser und Sonne. Damit der Umbau weg von fossilen und atomaren Brennstoffen gelingt, müssen die monopolhaften Strukturen im Energiesektor aufgelöst, in öffentliches Eigentum überführt und einer demokratischen Kontrolle unterstellt werden.

Die Bundesregierung aber streicht die Subventionen für die Solarenergie-Branche.

Dorothée Menzner: Die Photovoltaik ist für ein zukunftsfähiges Energiekonzept unabdingbar. Die Kürzung der Einspeisevergütung muss deshalb mit Augenmaß betrieben werden. Die Kürzungspläne der Bundesregierung zielen darauf ab, die Nachfrage für Solaranlagen zu senken, und sind nicht tragbar. Das wird viele einheimische Solarproduzenten in den Ruin treiben und den Ausbau erneuerbarer Energien empfindlich stören. Wir stehen da an der Seite der Beschäftigten der Solarbranche und kämpfen für bessere gesetzliche Rahmenbedingungen.

linksfraktion.de, 7. April 2010