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»Eine Fußball-EM im Leben reicht«

Periodika,

Dariusz Lapinski arbeitet als Fanbeauftragter für das staatliche Organisationskomitee der Fußball-Europameisterschaft in Polen. clara sprach mit ihm über Gewalt in polnischen Stadien und über die neue polnische Fankultur.

 

Was ist das Besondere an der Arbeit mit polnischen Fußballfans?

Dariusz Lapinski: Es fehlen bisher institutionelle Strukturen. Die meisten Vereine hatten bisher keine Fanprojekte und Fanbeauftragten. Zugleich herrscht in den polnischen Amtsstuben sehr viel Misstrauen gegenüber den polnischen Fans. In Hinblick auf die EM in diesem Sommer ist die Anspannung natürlich besonders hoch.

Nicht ohne Grund: In den letzten Jahren haben gewaltsame Ausschreitungen immer wieder das mediale Bild von Fußballspielen unter polnischer Beteiligung beherrscht.

Gewalt war und ist im polnischen Fußball ein Problem. Gerade in den 1980ern und 90ern war Gewalt die beliebteste Methode unter polnischen Fußballfans, um sich gegenüber konkurrierenden Fangruppen zu beweisen. Damals war der klassische polnische Fan alles in einem: Er fuhr zu den Spielen, sang, jubelte, trank und prügelte sich. Mittlerweile sind die Formen, mit denen sich polnische Fußballfreunde gegenüber anderen Fans ausdrücken, viel bunter und sympathischer.

Wodurch zeichnet sich die polnische Szene heute aus?

Auf der einen Seite gibt es immer noch gewaltbereite Fans, bei vielen Klubs handelt es sich um einen harter Kern von 40 bis 50 Typen. Andererseits gibt es die Ultras, die für eine bunte, kreative, gewaltfreie Fankultur stehen. Und es gibt noch all die anderen Fans, die einfach gern ins Stadion gehen. Meine Aufgabe besteht darin, das positive Gegengewicht zur Gewalt aufrechtzuerhalten und zu stärken.

Wo setzen Sie konkret an, um Gewalt zu marginalisieren und positive Fankultur zu stärken?

Ich entwickle gemeinsam mit den Fans und den Ämtern und Behörden Projekte, die die Anerkennung von gewaltfreier Fankultur steigern. Und ich ermuntere die Fans im direkten Gespräch, sich von Gewalt in Stadien zu distanzieren.

Am 8. Juni startet die Fußball-Europameisterschaft. Die Bilder aus den Stadien werden um die Welt gehen. Gibt es politische Vorgaben für Ihre Arbeit?

Nein, die gibt es nicht. Denn wüsste die Politik, was zu tun ist, hätte sie nicht unser Knowhow eingekauft. Sie hat eine staatliche GmbH gegründet mit 70 Spezialisten, in der ich die Fanarbeit betreue. Natürlich weiß ich, dass die EM auch die Zeit der großen Gesten ist und dass der Wunsch besteht, ein positives Fest für Fans aus aller Welt in Polen hinzubekommen.

Wie sieht da Ihr Beitrag aus?

Wir haben beispielsweise in jeder Spielstadt drei Fanbotschaften organisiert: eine feste Botschaft, die Anlaufstelle für alle Fans ist, und zwei mobile Botschaften, die besetzt sind von Fans der jeweils antretenden Mannschaften. Die Ansprechpartner in den mobilen Fanbotschaften genießen in ihren Heimatländern großes Vertrauen unter den Fans. Außerdem setzen wir uns im Vorfeld in Workshops mit den Behörden und Fans mit unterschiedlichen Sitten und Traditionen unserer Gäste auseinander.

Zum Beispiel?

Die spanischen Fans etwa gehen nach einem Spiel gern noch etwas Warmes essen und haben sich bei früheren Länderspielen immer darüber beschwert, dass beispielsweise in Innsbruck spät abends nur noch zwei Pommesbuden offen hatten. Darüber sprechen wir mit den Gastwirten, mit den Ordnungsämtern. Das mag banal klingen, aber es trägt zu einem guten Fest bei.

Was erhoffen Sie sich von diesem Fest?

Erstens will ich die Veranstaltung friedlich über die Bühne bringen. Zweitens möchte ich, dass Fanarbeit nach der EM in Polen weitergeht und wir jetzt das Fundament für eine nachhaltige bunte Fankultur gießen. Drittens will ich die ganze Veranstaltung gesundheitlich halbwegs überstehen. Eine EM im Leben reicht eigentlich.

Das Interview führte Thomas Feske.