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»Diese SPD ist für uns nicht koalitionsfähig«

Im Wortlaut von Gregor Gysi,

Gregor Gysi greift im KURIER-Interview Steinmeier und Müntefering an

München - Bayern wählt am 28. September einen Landtag. Die Linke könnte nach letzten Umfragen den Einzug schaffen. Dafür kämpft auch Gregor Gysi. Er ist seit Tagen im Freistaat unterwegs. Während seiner Wahlkampftour sprach Peter Brinkmann mit dem Chef der Bundestagsfraktion der Linken. Es ist das erste große Interview mit Gysi seit dem Wechsel in der SPD-Spitze vor einer Woche.

Die Haltung der neuen SPD- Führung gegenüber der Linkspartei wird frostiger. Wie wird sich das auf die Gespräche in Hessen auswirken?

Ich glaube, dass die Landesverbände in Hessen eigenständig agieren. Vielleicht ist es sogar leichter, weil Müntefering und Steinmeier nichts mit uns zu tun haben wollen. Wenn es scheitern sollte, dann liegt das an Abgeordneten der SPD und der Grünen, mit Sicherheit nicht an unseren.

Warum fordert die Linke in Hessen nicht gleich eine Koalition, so wie sie offenbar ja von Müntefering schon mal angedacht wurde?

Die SPD in Hessen lässt sich darauf nicht ein. Für eine Legislaturperiode ginge eine schriftlich vereinbarte Tolerierung in Ordnung. In der nächsten müsste es dann aber heißen: Koalition oder Opposition.

In einigen Bundesländern liegt die Linke bereits vor der SPD. Zum Beispiel im Saarland und in Thüringen. Sind dort bald rot-rote Koalitionen selbstverständlich?

Selbstverständlich nicht, aber möglich. Die SPD-Spitzenkandidaten in den beiden Ländern machen Politik nach Zahlen, nicht nach Inhalten. Sie erklären, dass sie mit uns gehen, wenn wir schwächer sind als sie und damit sie Ministerpräsidenten werden, aber als Juniorpartner mit der CDU, wenn wir die Nase vor der SPD haben. Eine solche inhaltliche Beliebigkeit nimmt die Wählerinnen und Wähler nicht ernst, sondern höchstens die eigene Karriereplanung.

Klares Nein zu Rot-Rot 2009 im Bund. Wie knallhart ist dies? Glauben Sie schon an eine Koalition mit der SPD 2009? Und wenn ja, unter welchen realistischen Bedingungen?

Die SPD ist derzeit für uns nicht koalitionsfähig. Wir werden uns weder am Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan beteiligen noch den Sozialabbau über die Agenda 2010 und Hartz IV unterstützen oder die Ungleichbehandlung von Ostdeutschen hinnehmen. Die SPD muss erst wieder sozialdemokratisch werden. Die Entscheidung für Müntefering und Steinmeier bedeutet aber ein Zurück der SPD zu Schröder.

Wie schätzen Sie den politischen Standort von Steinmeier und Müntefering heute ein? Haben sich beide gewandelt, z. B. mehr nach rechts?

Müntefering war mal ein Sozialpolitiker und hat dann die Agenda 2010 und Hartz IV durchgesetzt. Er ist stur und will sich nicht korrigieren. Nicht einmal die Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I für ältere Arbeitslose hat er mitgetragen. Stattdessen hat er mit der Rente ab 67 noch einen draufgesetzt beim Sozialabbau. Steinmeier war Kanzleramts-Chef von Schröder und hat die Bundeswehreinsätze, die Agenda 2010 und Hartz IV entscheidend mit organisiert. Beck wollte wenigstens kleine Korrekturen, diese beiden nicht.

Halten Sie eine Ampelkoalition 2009 für möglich?

SPD und Grünen darf man alles zutrauen, auch eine Ampel. Die Wählerinnen und Wähler müssen sich allerdings vorher fragen, wie die SPD mit der FDP einen Mindestlohn, eine Bürgerversicherung und andere programmatische Ziele durchsetzen will. Das ist ausgeschlossen. Die SPD schließt jede Zusammenarbeit mit uns aus und braucht die FDP als Ausrede für den absehbaren Bruch ihrer Wahlversprechen.

Berliner Kurier, 14. September 2008