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Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch

Die Soziale Opposition aus einem Guss!

Im Wortlaut von Amira Mohamed Ali, Dietmar Bartsch,

Grundfragen stellen und beantworten

Die Bundestagwahl war für DIE LINKE eine schwere Niederlage. Die Gründe sind vielfältig. Wir haben an alle anderen Parteien, Nichtwähler und Sonstige verloren und wir sind in allen Alters- und Berufsgruppen teils deutlich geschrumpft. In einer Zeit, in der Wählerinnen und Wähler soziale Sicherheit als Thema Nummer 1 ansehen, ist unser Ergebnis doppelt bitter. Im Osten gelten wir als die Partei, die ostdeutsche Interessen vertritt. Trotzdem steht am Ende nur in drei Ländern ein zweistelliges Ergebnis. Zustimmung zu Inhalten und Zustimmung zur Partei klaffen verheerend auseinander.

Sowohl aus den Warnschüssen der Europawahl, der Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen 2019, in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt 2021 als auch aus den Erfolgen in Bremen und Thüringen wurden unzureichend politische Schlussfolgerungen für die Bundestagswahl gezogen. Das muss sich ändern. DIE LINKE muss Grundfragen stellen und auch beantworten. Zu den Landtagswahlen des kommenden Jahres muss DIE LINKE wieder die Adresse für soziale Fragen sein. Der Bundestagsfraktion kommt dafür eine besondere Verantwortung zu.

Eine fokussierte Bundestagsfraktion

Die Fraktion wird sich mit 39 Abgeordneten inhaltlich fokussieren müssen. Das ist Herausforderung und Chance zugleich. Wofür steht DIE LINKE? Die Bundestagsfraktion wird ihren Anteil leisten, das Profil der Partei in der Öffentlichkeit zu stärken und zu schärfen. Es muss für Bürgerinnen und Bürger wieder deutlicher werden, was die Schwerpunkte unserer Politik sind und für wen wir uns einsetzen. Dafür fokussieren wir auf unseren Markenkern.

Die künftige Bundesregierung wird höchstwahrscheinlich eine Rot-Grün-Gelbe Regierung sein. Das Sondierungspapier ist stark durch die FDP geprägt. Eine notwendige Steuerreform schließt die Ampel bereits aus, obwohl SPD und Grüne z.B. die Vermögensteuer versprochen haben. Nicht auszuschließen ist eine Agenda 2030, zumindest jedoch die Verteidigung des Status quo, um die Konten der FDP-Klientel zu schonen – zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, kleinen Selbstständigen, Rentnerinnen und Rentnern, zulasten der großen Mehrheit in diesem Land.

Die Fraktion DIE LINKE wird sich als die soziale Opposition im neuen Deutschen Bundestag aufstellen und geschlossen agieren. Wir sind die soziale Kraft in Deutschland - gegen gebrochene Wahlversprechen unter einer Ampel-Koalition, gegen Sozialabbau, Investitionsstau und Aufrüstung. Wir als Fraktion DIE LINKE. im Bundestag wissen um unsere Verantwortung für die Zukunft linker Politik in Deutschland. Wir sind parlamentarisches Aushängeschild und werden mit beharrlicher Oppositionsarbeit den Grundstein für ein starkes bundesweites Comeback der Linken 2025 legen.

Fünf politische Schwerpunkte der neuen Bundestagsfraktion

1. Soziale Sicherheit: Gute Löhne, gute Renten, starker Sozialstaat!

Wir sind die Erfinderin des Mindestlohns. Vor fast 20 Jahren stellten wir den ersten Antrag im Deutschen Bundestag dazu. Eine deutliche Erhöhung ist dringend notwendig. Wir wissen, 12 Euro reichen nicht, um Altersarmut zu stoppen. Im Bundestagswahlkampf wurde das Thema Arbeit vielfach auf den Mindestlohn reduziert. Dabei sind die Probleme deutlich größer. Jeder Fünfte arbeitet in prekärer Beschäftigung. Es fehlt an Sicherheit und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. Das Lohnniveau ist für die Mehrheit der Beschäftigten zu gering. Jedem dritten Vollzeitbeschäftigten droht nach 45 Jahren eine Rente von unter 1100 Euro. Das ist ein soziales Pulverfass.

  • Gute Löhne und ein geordneter Arbeitsmarkt, der Sicherheit gibt: Schluss mit Lohndumping und miesen Arbeitsverträgen. Befristete Beschäftigung, Leiharbeit und Mini-Jobs wollen wir in gute und sichere Arbeitsplätze umwandeln. Lohndumping ist nicht billig, sondern teuer für die Allgemeinheit. Tarifflucht kostet Sozial- und Steuerkassen laut DGB rund 48 Milliarden Euro im Jahr. Wir brauchen eine Mindestsicherung und eine eigenständige Kindergrundsicherung, die Kinder aus der Armut holt. Die entsprechenden Vorschläge der neuen Regierung werden wir kritisch begleiten.

  • Olaf Scholz will das Rentenniveau „stabil“ halten. Das ist kein Versprechen, sondern eine Enttäuschung. Im Klartext heißt das: Stabiler Abstieg im Alter. Das Vorhaben, einen Teil der gesetzlichen Rente auf das Börsenparkett zu bringen, lehnen wir ab. Wir sind der Auffassung, was Österreich kann, muss auch Deutschland können - nämlich Lebensleistung anzuerkennen. Wir kämpfen im Bundestag für eine Rentenform nach dem Vorbild Österreichs: Dort ist die durchschnittliche Rente 800 Euro höher und alle Bürger mit Erwerbseinkommen zahlen in die Rentenkasse ein.

  • Gesundheit und Pflege sind als zentrale Säulen des Sozialstaates Schwerpunkte unserer Politik. Wir machen Druck für den Einstieg in eine solidarische Bürgerversicherung, die unter der Ampel ausbleiben wird. Bürgerinnen und Bürger könnten von sinkenden Beiträgen und besseren Leistungen profitieren. Stattdessen drohen nach Corona deutliche Beitragssteigerungen, die besonders Geringverdiener und Rentner treffen. Personalbemessung und eine deutlich bessere Bezahlung von Pflegekräfte sind notwendig - mindestens 500 Euro mehr im Monat, auch um den Pflegenotstand zu beenden, der sich in der Corona-Zeit verschärft hat. Pflegebedürftigkeit darf nicht arm machen. Wir brauchen eine Pflegevollversicherung. Die Eigenanteile der Pflegeheimbewohner müssen zügig sinken.

 

2. Steuergerechtigkeit: Leistungsträger entlasten und Gewinner der Krise zur Kasse.

Unter einer Rot-Grün-Gelben Bundesregierung wird es kein gerechteres Steuersystem in Deutschland geben. Kleine Einkommen werden nicht entlastet, Multimillionäre und Milliardäre nicht höher besteuert und Normalbürger sollen die Corona-Schulden tragen.

Das werden wir nicht hinnehmen. Steuergerechtigkeit ist ein Schwerpunkt unserer Oppositionsarbeit. Die wahren Leistungsträger in unserem Land – die Pflegekraft, der Busfahrer, die Erzieherin, der Polizist – müssen entlastet werden.

  • Wir fordern eine große Steuerreform, die kleine und mittlere Einkünfte entlastet und Spitzeneinkommen, große Erbschaften und Vermögen deutlich stärker besteuert.

  • Wer bezahlt die 450-Milliarden-Corona-Rechnung? Die Lidl-Verkäuferin oder der Lidl-Eigentümer? Wir fordern weiter eine einmalige Vermögensabgabe, die nur 0,7 Prozent der Bevölkerung – die Allerreichsten des Landes – trifft und keinen Betrieb in seiner Existenz gefährdet.

  • Steuergerechtigkeit für massive Investitionen in die Zukunft des Landes. Bildung, Gesundheit, Infrastruktur: Lehren aus der Pandemie müssen gezogen werden. Die Ankündigungen im Sondierungspapier werden wir kritisch begleiten.

 

3. Wirksame Klimapolitik, die die Kosten nicht auf Beschäftigte, Mieterinnen und Mieter, Rentnerinnen und Rentner abwälzt.

Die Grünen wollten eine „Klimaregierung“. Eine solche ist dringend notwendig. Eine echte Klimaregierung muss aber eine Politik machen, die das Klima effektiv schützt und nicht Menschen zur Kasse bittet, die keine Alternativen haben. Die bisherige von den Grünen unterstützte Klimapolitik der Bundesregierung, die nur an der Preisschraube dreht, ist teuer und nahezu unwirksam. Mit Alibi-Politik lässt sich der Umbau der Industrie zu Klimaneutralität nicht erreichen. Zu glauben, man könne die Pariser Klimaziele mit 16 Cent oder 60 Cent mehr an der Tankstelle erfüllen, ist naiv. Dass Mietern die CO2-Mehrkosten allein aufgebrummt werden, ist skandalös. Wir werden jede neue Regierung drängen, das umzukehren.

Kluger und sozial gerechter Klimaschutz verbessert und erleichtert das Leben der Bürger. Verbote und Verteuerungen sind der sozial falsche Weg: Erneuerbare Energien massiv ausbauen, neue Technologien und regionale Wirtschaft fördern und den Menschen Alternativen zur Verfügung stellen, die besser und preiswerter sind – das ist gute Klimapolitik, die nicht spaltet, sondern mitnimmt.

Wir brauchen endlich konsequentes Handeln auf dem Weg zur Klimaneutralität. Die vorherige Fraktion hat mit ihrem Klimaaktionsplan das Handbuch für den sozial-ökologischen Umbau geliefert. Der Verkehrsbereich ist dabei für die Bürger besonders entscheidend.

  • Wir brauchen eine Bahnreform: Anstatt erneut die Preise zu erhöhen, muss die Bahn unschlagbar gut und preiswert werden. Die Bahn muss mit einem massiven Investitionsprogramm zurück in die Fläche.

  • Der ÖPNV ist eine zentrale Klimaschutzmaßnahme. Vielerorts ist der ÖPNV aber eine Zumutung für die Bürger. Mit Unterstützung des Bundes muss der ÖPNV ausgebaut und deutlich attraktiver werden. Nirgendwo sollte die Tageskarte teurer als ein Euro sein.

  • Ordnungspolitik statt Abzocke: Wir brauchen einen Masterplan Güterverkehr. Es ist hanebüchen, dass laut Zahlen der noch amtierenden Bundesregierung immer mehr Güter auf der Straße und immer weniger auf der Schiene transportiert werden. Das Gegenteil ist notwendig. Es muss Schluss sein mit den klimaschädlichen LKW-Lawinen auf unseren Straßen!

 

4. Alltagsprobleme auf den Tisch! Für ein Comeback der Linken in Ost und West.

Wir wollen als Bundestagsfraktion Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger insbesondere in Ostdeutschland zurückgewinnen. 38 Prozent der Ostdeutschen sind der Auffassung, dass wir ostdeutsche Interessen vertreten. Dieser Bestwert unter allen Parteien muss wieder zu deutlich mehr realer Wählerzustimmung führen. Deshalb setzen wir einen Schwerpunkt Ost: Das ist eine Frage ostdeutscher Identität, die wir mehr in den Blick nehmen müssen, und eine Frage der Ansprache der Alltagsthemen, die die Menschen sowohl in Ost als auch in West besonders bewegen.

  • 100 Prozent Einheit: Wir fordern, dass Renten 2022 und Löhne bis 2025 angeglichen werden.

  • Mehr Posten für den Osten: Wir werden uns auch als künftige Fraktion für mehr Fairness gegenüber Ostdeutschland beim Personal und bei der Ansiedlung von Behörden und Unternehmen einsetzen.

  • Wir brauchen ein Bundesministerium für gleichwertige Lebensverhältnisse, das die Einheit vollendet und die Kluft zwischen den Städten und dem ländlichen Raum verringert.

Wir werden uns als Stimme politischer Unzufriedenheit profilieren und unseren Gebrauchswert im Alltag steigern. Dort, wo es für die Menschen „brennt“, sind wir da.

Selbst für Normalverdiener ist eine bezahlbare Wohnung in den Innenstädten oder der Traum vom Eigenheim kaum noch erreichbar. Von explodierenden Mieten bis zu steigenden Preisen für Strom, Gas, Heizöl und Sprit: Dass vieles im Alltag erheblich teurer wird, dass das Leben immer weniger bezahlbar ist, ist längst kein Gefühl mehr, sondern bittere Realität, die die hart verdienten Einkommen von Arbeitnehmern, Selbstständigen und Rentnern entwertet. Das ist faktischer Sozialabbau. Bei den Energiekosten droht den Bürgern ein besonders teurer Winter. Wir werden das nicht hinnehmen. Fehlende soziale Gerechtigkeit und falsche Politik machen das Leben für die Mehrheit der Bürger in Ost und West unnötig teuer.

Die Fraktion wird die Frage der Bezahlbarkeit des Lebens und der Kosten des Alltags als soziale Frage in den Vordergrund der Kommunikation rücken und Alternativen benennen. Zum Beispiel:

  • Wir kämpfen für einen bundesweiten Mietendeckel und eine neue Bodenpolitik, die die Spekulation – auch mit Ackerland – beendet.

  • Bei den Energiepreisen muss der Staat seine Rolle als Preistreiber aufgeben und die Bezahlbarkeit von Energie garantieren. Wir brauchen einen Energiepreisdeckel. Die geplante Senkung der EEG-Zulage ist richtig, aber keinesfalls ausreichend.

     

5. Konsequente Friedenspolitik: Aufrüstung und Waffenexporte stoppen.

Die neue Bundesregierung wird noch mehr Geld für Rüstung ausgeben und Waffenexporte kaum reduzieren. Die Themen Abrüstung, Stopp der Waffenexporte und das Ende aller Auslandseinsätze der Bundeswehr werden Schwerpunkte der Außenpolitik der Fraktion sein. DIE LINKE bleibt weiterhin die konsequente Friedenspartei im Bundestag!

  • Wir sind die Opposition zur Steuergeldverschwendung der gefährlichen Aufrüstungspolitik, die auch die Ampel offensichtlich fortsetzen will.Anstatt Milliarden Euro zusätzlich in Rüstung zu stecken, brauchen wir das Geld in unseren Schulen und für sozialen Ausgleich.

  • Die Fraktion DIE LINKE. ist die Stimme gegen den Export des Krieges. Wir werden den Finger immer wieder in diese klaffende Wunde deutscher Außenpolitik legen. Wir fordern ein Stopp der Waffenexporte.

Wir nehmen die Aufgabe an

Die Fraktion DIE LINKE. Bundestag wird sich noch enger mit den Landtagsfraktionen, insbesondere den regierungstragenden Fraktionen verzahnen. Der Ministerpräsident Thüringens ist aktueller Bundesratspräsident. Möglicherweise gibt es künftig eine rot-rote Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern. Viermal Regierungsverantwortung in den Ländern wären ein politisches Pfund. Geschlossenheit ist unser Weg - sowohl für das Aufzeigen bundespolitischer Alternativen als auch für die Sichtbarkeit politischer Verantwortungsübernahme im Interesse der Menschen im Land. Wir werden die Sichtbarkeit im Alltag erhöhen und mehr Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der kommunalen Ebene legen. Dafür ist es auch denkbar, dass die Bundestagfraktion kommunale Patenschaften mit Fraktionen in Städten und Gemeinden übernimmt. Dies würde gegenseitiges Bewusstsein stärken und den Austausch auf ein höheres Niveau heben.

Die Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag wird entschlossen und geschlossen die Stimme für soziale Sicherheit sein. Für Steuergerechtigkeit und Zukunftsinvestitionen. Für einen effektiven Klimaschutz, der Wirksamkeit und die Kostenfrage ins Zentrum stellt. Wenn künftig drei Parteien in einer Koalition einer Meinung sind, und die Union mit sich selbst kämpft, braucht es eine starke soziale Opposition im Deutschen Bundestag. Uns! Wir sind bereit.