Zum Hauptinhalt springen

Die Balkan-Maklerin

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

Von Sevim Dağddelen, Sprecherin für Internationale Beziehungen der Fraktion DIE LINKE und stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Türkischen-Parlamentariergruppe im Bundestag

 

 

Für jeden wird die Bundeskanzlerin etwas mitbringen, wenn sie ab heute Tirana, Belgrad und Sarajevo besuchen wird. Serbien und Albanien wird eine Beschleunigung ihres EU-Beitritts versprochen, Bosnien-Herzegowina zumindest eine Annäherung. Angela Merkel wird dabei in der Rolle der »ehrlichen Maklerin« auftreten, die bereits Reichskanzler Otto von Bismarck auf dem Berliner Kongress 1878 eingenommen hatte. Das Ergebnis damals war, dass Russland aus dem Balkan herausgehalten, das Osmanische Reich restauriert und die Besetzung Bosniens durch Österreich-Ungarn fixiert wurden.

Fast 140 Jahre später gibt es zumindest eine Konstante: Über die EU-Annäherungspolitik soll der Einfluss Russlands auf dem Balkan aufs neue minimiert werden. So ist die bisherige Ablehnung der EU-Sanktionspolitik gegen Russland durch Serbien der Kanzlerin ein Dorn im Auge. Merkel wird Belgrad klarmachen, dass ein EU-Beitritt nur bei der Erfüllung zweier Vorbedingungen zu haben sein wird: die völkerrechtswidrige Anerkennung Kosovos und das Einschwenken Serbiens auf den Eskalationskurs gegen Russland.

Ohne Drohungen wird das nicht gehen. Denn die serbische Bevölkerung befürwortet zwar mit bis zu 44 Prozent einen EU-Beitritt, doch treten auch 61 Prozent für einen Ausbau der guten Beziehungen zu Russland ein. Auch deswegen wird Kritik am großalbanischen Projekt, das sein Zentrum im Kosovo hat und auf Serbien, Montenegro, Mazedonien und Griechenland abzielt, von der Kanzlerin nicht zu vernehmen sein. Und wer es doch wagen sollte, auch nur auf die Verbrechen der UÇK hinzuweisen, wird mit Morddrohungen albanischer Nationalisten überzogen oder als serbischer Nationalist diffamiert.

Seit 16 Jahre stehen die Truppen der NATO und der Bundeswehr im Kosovo. Seitdem beherrschen die ehemaligen UÇK-Kader das Land. Dort liegt die Lebenserwartung mittlerweile sieben Jahre unter der anderer Balkanstaaten. Und obwohl das Kosovo führend bei der Ausreise islamistischer Terroristen nach Syrien ist, übt Berlin den Schulterschluss mit Priština. Beflissentlich geschwiegen wird zudem zu den vom Kosovo ausgehenden Versuchen, die Region zu destabilisieren.

Das griechische Nein gegen die Erpressungsversuche der Bundesregierung und der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds gibt Hoffnung, dass auch die Menschen auf dem Balkan nein sagen werden gegen eine Politik der Drohungen des ehrlichen Maklers. Es gibt auch Hoffnung, dass die Menschen nicht auf die Nationalisten hereinfallen, deren Ziel es ist, diese für die Interessen Dritter gegeneinander aufzuhetzen. Soziale Rechte und demokratische Souveränität können nur gegen das Machtstreben des deutschen Kapitals und seiner Handelsreisenden auf dem Balkan verteidigt werden – und nicht, wenn man sich ihnen beugt.

junge Welt, 8. Juli 2015