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Der »Red New Deal« - sozial und öko

Im Wortlaut von Michael Schlecht,

Von Michael Schlecht

Wirtschaftswachstum hat einen schlechten Ruf. Wachstum verursache ökologische Schäden und führe in die Klimakatastrophe. Die kapitalistische Wirtschaft rutschte 2009 in die Krise. Das Wachstum ging in Deutschland um rund 125 Milliarden Euro produzierter Waren und Dienstleistungen zurück. Mit weniger Produktion wird die Umwelt weniger belastet. Gleichzeitig nehmen aber die sozialen Problem zu. Arbeitslosigkeit steigt und die öffentlichen Haushalte stehen vor einem finanziellen Desaster, sodass ein massiver Sozialabbau droht. Oberflächliche Wachstumskritik kann kein ernstgemeinter Weg für mehr Ökologie sein.

Die Endlichkeit der fossilen Rohstoffe, vor allem des Erdöls, weckt Hoffnungen, dass sich eine Energiewende zwangsläufig durchsetzt. Aber warum sollten die großen privaten Energiekonzerne - E.on, Vattenfall, RWE und EnBW - bei steigenden Preisen massiv in erneuerbare Energien investieren? Warum sollte ein Konzern auf eigene Rechnung neue Technologien erforschen? Richtschnur ist nur der kurzfristig zu erzielende Profite statt die Zukunft der Menschheit. Die Energieversorger halten daher an Kohlekraftwerken und Atomstrom fest. Um den ökologischen Umbau voranzubringen, müssen wir die Macht der großen Energiekonzerne brechen. Deshalb will die LINKE sie in öffentliche Verfügung überführen. Der »Red New Deal« verändert die gesellschaftlichen Strukturen. Und macht so den umfassenden ökologischen Umbau erst möglich.

Wirtschaftswachstum ist kein Selbstzweck. Vielmehr muss es um die Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen gehen: Versorgung mit Wohnraum, ausreichende und gesunde Lebensmittel, Kleidung und vieles andere mehr. Wenn die LINKE für einen gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro und eine Anhebung des Arbeitslosengeld II auf 500 Euro streitet, dann führt dies zu einer wachsenden Nachfrage von rund 40 Milliarden Euro. Diese Nachfrage schafft Wachstum. Wer wollte soziale Verbesserungen mit ökologischen Argumenten verwehren? Wohl niemand!

Es geht beim Wirtschaftswachstum darum, was wächst und wie. Wir brauchen eine neue Produktionsweise, die Ressourcen schont oder sogar ohne Ressourcenverbrauch auskommt. Dies erfordert neue Technologien. Ganz besonders gilt dies bei der Energiewende, dem Herzstück des sozial-ökologischen Umbaus. Ziel ist die vollständige Versorgung der Welt mit erneuerbaren Energien. Was lange utopisch erschien, ist heute längst technisch machbar. Der »Solar-Papst« Hermann Scheer nennt es die »4. Revolution«.

Strom und Wärme werden dezentral für einzelne Familien, Dörfer oder Regionen produziert. Gehandelt wird nicht mehr mit Rohstoffen, sondern mit Technologie. Dies kann nur mit modernster industrieller Technik gelingen. Dies und die Weiterentwicklung dieser Technik und die Produktion der alternativen Anlagen wird sich als statistisch messbares Wirtschaftswachstum niederschlagen. Niemand würde ein derartiges »Wirtschaftswachstum« ablehnen!

Man sieht, mit einer bloßen Wachstumskritik kommt man nicht weiter. Gerade wenn wir eine Entkoppelung von Wachstum und steigendem Verbrauch endlicher Ressourcen wollen, müssen wir hochinnovative Technik einsetzen. Auch um ökologische Altlasten zu beseitigen, brauchen wir Technologie. Diese Art von »Wirtschaftswachstum« ist notwendig.

Dies zeigt sich auch, wenn man andere gesellschaftliche Mangelbereiche beheben will. Bessere Erziehung und Bildung stehen hoch im Kurs. Die LINKE will hierfür jährlich 30 Milliarden Euro mehr aufwenden. Wir brauchen längeres gemeinsames Lernen für alle in kleinen Klassen oder Gruppen und deutlich mehr pädagogisches Personal. Dazu gehört natürlich auch ein Ausbau von Gebäuden, mehr Sportstätten und vieles mehr. Alles segensreiche für unsere Kinder und Jugendlichen. Und der Ausbau von Erziehung und Bildung kann zu einer positiven Ökobilanz beitragen. So wird eine gute Mittagsverpflegung in Ganztagesschulen die Umwelt deutlich weniger belasten als wenn in Tausenden von Kleinfamilien einzeln gekocht wird. Allerdings würde am Ende das Statistische Bundesamt einen Anstieg des Wirtschaftswachstum verzeichnen. Wer wollte sich gegen derartige Verbesserungen stellen?

Die Umweltpolitik ist in Deutschland ebenso wenig nachhaltig wie die Wirtschaftspolitik. Deutschland setzt auf eine aggressive Exportpolitik. Mit dem Lohndumping der Agenda 2010 erhielten deutsche Unternehmer eine Streitaxt zur Eroberung ausländischer Märkte. Mehr als eine Billion Euro beträgt der Exportüberschuss der letzten zehn Jahre. »Die Deutschen haben Maschinen und Autos an die Amerikaner geliefert und dafür wertlose Lehman-Zertifikate bekommen«, so die Kritik vom Chef des Münchner Ifo-Institut Hans-Werner Sinn. Der Exportüberschuss führte zu einer massiven Verschuldung anderer Länder; der USA und der europäischen Südländer. Diese Verschuldung lässt sich nach der Finanzkrise nicht mehr fortsetzen. Deutschland muss mehr für die Binnenwirtschaft tun, die Löhne müssen steigen.

Wir werden auch weniger Maschinen und Autos exportieren. Die Produktion muss kontrolliert umgebaut werden, um industrielle Arbeitsplätze zu sichern. Wir brauchen neue Berliner S-Bahnen, wintertaugliche ICEs oder noch besser: Ganz andere innovative Transportmittel, elektrisch betrieben aus regenerativer Energie, die so komfortabel sind, das kaum jemand noch Lust hat, Auto zu fahren.

Die LINKE sagt nicht nur A, sondern auch B, wie »bezahlen«. Da es beim ökologischen Umbau um die Erneuerung der Infrastruktur und ökologischer Transportsysteme geht, muss der Staat Geld in die Hand nehmen. Wir brauchen eine massive Stärkung der Staatsfinanzen. Die LINKE hat ein Steuerkonzept, mit dem 160 Milliarden Euro zusätzlich bei Reichen, Vermögenden und großen Kapitalgesellschaften erhoben werden. Damit ließe sich ein Zukunftsprogramm von 100 Milliarden Euro jährlich finanzieren. Eine Hälfte ist für den sozialen Umbau vorgesehen: Den Ausbau von Erziehung und Bildung sowie Verbesserungen der Pflege und weiterer sozialer Dienstleistungen. Die zweiten 50 Milliarden Euro sollen jedes Jahr in die Infrastruktur und somit in den ökologischen Umbau fließen.
Die LINKE will eine Wirtschaftspolitik, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert. Dies muss gegen die Interessen der großen Unternehmen, der Vermögenden und Reichen durchgesetzt werden. Ökologischer und gesellschaftlicher Umbau gehören zusammen, ja bedingen sich. Dies ist entscheidend für den »Red-New-Deal«.

Neues Deutschland, 9. April 2010