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»Der DDR viel näher als die Linke«

Im Wortlaut von Oskar Lafontaine,

Herr Lafontaine, Sie waren schon mal Bundesfinanzminister. Wenn Sie's jetzt - in der Krise - wieder wären...

...dann würde ich wieder da ansetzen, wo ich 1999 aufgehört habe, bei der Regulierung der Finanzmärkte. Ich würde mich bemühen um das Austrocknen von Steueroasen, das Verbot von Bank-Geschäften außerhalb der Bilanzierung, Verbot von Risikopapieren.

Solche Überlegungen stellt ja auch der jetzige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) an...

Aber Ankündigung und Vollzug klaffen bei ihm weit auseinander. Altkanzler Helmut Schmidt hat zu Recht kritisiert, dass die Vorschläge zur Finanzmarktregulierung unscharf und auslegungsfähig sind und keine Regierung sich festlegt. Steinbrück redet, macht aber nicht. In der Finanzmarktkrise hat diese Bundesregierung total versagt. Sie veruntreut Staatsgelder in Milliarden-Höhe. Man sieht das zum Beispiel bei der Commerzbank. Die Bundesregierung verzichtet auf Vorkehrungen, mit denen verhindert werden kann, dass das Geld der Steuerzahler verspekuliert wird.

Ihnen wäre eine richtige Verstaatlichung lieber? Das erinnert ja ein bisschen an die DDR. Oder?

Überlegungen in Richtung Verstaatlichung bei Industriebetrieben sehe ich vor allem bei Kanzlerin Angela Merkel und dem Düsseldorfer Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers. Ideologisch betrachtet stehen diese beiden CDU-Politiker mit ihren Verstaatlichungsideen der DDR näher als die Linke. Wer hätte das gedacht! Unsere Partei hat einen anderen Ansatz: Wir setzen nicht auf Verstaatlichung, sondern auf Mitarbeiter-Beteiligung. Verstaatlichung ist für mich kein linkes Projekt.

Wenn an diesem Freitag im Bundestag über das Konjunkturpaket II debattiert wird, dann ist also von Seiten der Linken wieder scharfe Attacke angesagt?

Ich bin gegen Schwarz-Weiß-Malerei. Aber das Konjunkturpaket hilft ja nicht wirklich weiter. Es ist zu klein angelegt. Es entspricht in seiner Größenordnung anders als in den USA bei weitem nicht dem Ausmaß des befürchteten Minus-Wachstums, dem es entgegenwirken soll. Daneben gibt es im Konjunkturprogramm auch ein paar Elemente, die in Ordnung sind. Mehr Geld für Kinder zum Beispiel - das ist zwar völlig unzureichend, aber da kann ja niemand etwas dagegen haben.

Wenn's nach Ihnen geht, dann sollte sich also der Staat bis über beide Ohren verschulden?

In der Nationalökonomie gibt es das Schuldenparadox. Damit ist gemeint: Wenn der Staat seine Ausgaben zur falschen Zeit bei schrumpfender Wirtschaft kürzt, dann tut er nur auf den ersten Blick etwas, um die Schulden zu vermindern. In Wirklichkeit führt aber diese Art von 'Sparen' dazu, dass er die Krise verschärft, die Nachfrage ausbleibt - und die Schulden größer und nicht kleiner werden. Der frühere Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hat das ja schmerzlich erfahren müssen.

Sie sagen: Die Regierung tut das Falsche. Dann rechnen Sie also auch mit einer lang anhaltenden Krise?

In der Tat. Es ist doch grotesk, dass die Banken-Chefs erst ihre Geldinstitute in Schieflage gebracht haben und nun die Regierung darüber beraten, was zu tun ist. Besonders unverschämt ist dabei, dass die großen Banken immer wieder auch ansehnliche Beträge an die etablierten Parteien spenden. Das ist wie ein kleines Dankeschön dafür, dass der Staat die Verluste sozialisiert und später die Gewinne wieder privatisiert.

Angesichts der Krise verspürt die FDP den größten Auftrieb. Neidisch?

Man muss auch gönnen können. Aber in der FDP sind Alchemisten am Werk. Die FDP sagt, sie will die Steuern senken und gleichzeitig die Schulden abbauen. Das ist Hokuspokus. Deshalb wird die FDP in den Umfragen auch wieder abrutschen. Wir werden nach der Bundestagswahl keine schwarz-gelbe Mehrheit haben.

Dann bekämen wir ja wieder eine Regierung, an der die SPD beteiligt ist...

Ich erwarte zur Zeit - wie bei der Bundestagswahl 2005 - erneut eine zahlenmäßige Mehrheit für Rot-Rot-Grün, aber mit anderer Zusammensetzung. Diese rot-rot-grüne Mehrheit wird dann aber nicht zu einer entsprechenden Koalition führen, denn die SPD hat keine Strategie. Die Fortsetzung der großen Koalition mit der CDU / CSU als stärkster Kraft ist die wahrscheinlichste Variante.

Die SPD sieht das anders, träumt von einem Kanzler Steinmeier, der mit Grünen und FDP regiert...

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die FDP da mitmacht. Und die SPD kann den Wählerinnen und Wählern ja nun auch wirklich nicht erklären, wie man denn bitteschön mit der FDP den gesetzlichen Mindestlohn durchsetzt und eine gerechte Steuerpolitik macht.

Das Gespräch führte Jochen Loreck

Kölner Stadt-Anzeiger, 30. Januar 2009