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Beschäftigung im Einzelhandel: Teilzeit verdrängt Vollzeit

Nachricht von Sabine Zimmermann,

Im Einzelhandel wird Vollzeitbeschäftigung zunehmend durch Teilzeitbeschäftigung verdrängt. Waren 2000 noch 47,8 und 2004 52,5 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit tätig, waren es 2018 schon 60,3 Prozent. Das waren 1.842.000 der 3.055.000 Beschäftigten im Einzelhandel. Die Zahlen schließen sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung und ausschließlich geringfügig Beschäftigte ein. Die Zahlen gehen aus der Antwort der Bundesagentur für Arbeit auf eine Anfrage der Abgeordneten Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag, hervor.

Der Zuwachs der Teilzeit beruht auf einem massiven Anstieg bei der sozialversicherungspflichtigen Teilzeit. Deren Anteil an allen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen im Einzelhandel stieg von 31,9 Prozent im Jahr 2000 auf 49,7 Prozent 2018. Allein im Zeitraum 2013 bis 2018 nahm er um 4,7 Prozentpunkte zu. Entsprechend nahm jeweils der Anteil der Vollzeitbeschäftigung ab.

Die Anfrage ergab auch, dass die Zahl der Beschäftigten im Einzelhandel seit 2004 von 2.706.000 auf 3.055.000 gestiegen ist. Jedoch nahm die absolute Zahl der Stellen im Einzelhandel im Zeitraum 2004 bis 2018 nur um 12,9 Prozent, die Zahl der Teilzeitjobs aber um 29,5 Prozent zu. Der Anteil der Aufstockerinnen und Aufstocker, die zusätzlich zu ihrem Lohn noch Hartz-IV-Leistungen beziehen mussten, ist zwar seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns 2015 leicht rückläufig. Noch immer aber liegt er im Einzelhandel mit 3,6 Prozent deutlich über dem Durchschnitt aller Branchen von 2,6 Prozent, bei den Teilzeitbeschäftigten wie schon im Jahr 2008 sogar bei 4,2 Prozent und bei Minijobbern bei 7,3.

Ergebnis eines deregulierten Arbeitsmarkts

Zimmermann erklärt zu diesen Zahlen: "Teilzeitarbeit ist im Einzelhandel zur Regel geworden. Aus Gesprächen mit Beschäftigten weiß ich, dass viele nicht freiwillig in Teilzeit arbeiten. Doch viele Arbeitgeber bieten bewusst nur Teilzeit an. Sie wollen Beschäftigte flexibel einsetzen, um Arbeitsausfälle durch Urlaub und Krankheit auszugleichen. So sparen sie Personal auf dem Rücken der Beschäftigten und können trotzdem immer längere Ladenöffnungszeiten anbieten. Das Recht der Beschäftigten auf planbare Freizeit und Zeit für die Familie wird mit Füßen getreten. Viele lassen sich das aus Angst um ihren Arbeitsplatz gefallen. Von der Teilzeitstelle zu leben ist jedoch schwierig. Das fördert die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Ehepartner und erklärt auch den vergleichsweise hohen Anteil an Aufstockerinnen und Aufstockern. Zweit- und Drittjobs sind keine Seltenheit."

Zimmermann weiter: "Die Zustände im Einzelhandel sind die Folge eines deregulierten Arbeitsmarktes. Die Bundesregierung muss gegensteuern, unter anderem mit einem Recht auf eine Mindest-Wochenarbeitszeit von 22 Stunden. Das Recht auf planbare Arbeitszeiten muss effektiv kontrolliert und durchgesetzt werden, ganz besonders bei Teilzeitbeschäftigten, die oft als flexible Arbeitsreserve missbraucht werden. Ladenöffnungszeiten sind zu begrenzen. Minijobs müssen durch gute, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ersetzt werden. Ferner braucht es eine Stärkung der Tarifbindung, auch über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen, die gute Löhne und Arbeitsbedingungen regeln. Allgemeinverbindliche Tarifverträge sind im Einzelhandel derzeit so gut wie nicht vorhanden. Hier ist also viel Luft nach oben."