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Bei den Diktatoren

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

Angela Merkels Reise in die Golf-Staaten: Unter militärischen Ehren werden die Hände von Königen und Kronprinzen geschüttelt. Im Mittelpunkt der Reise in die saudi-arabische Familiendiktatur steht der Besuch der König-Abdullah-Universität, einer Elite-Einrichtung, an der rund 350 Frauen und Männer, überwiegend aus dem Ausland, streng abgeschirmt von der Öffentlichkeit zusammen studieren können. Das vermittelt den Eindruck von Modernität und läßt erst auf den zweiten Blick erkennen, daß eben genau dies im Rest des Landes nicht möglich ist, daß Frauen noch nicht einmal allein Auto fahren dürfen und vom öffentlichen Leben unter der Androhung schwerster körperlicher Strafen ausgeschlossen sind.

Doch bei Merkels Golf-Tour mit einer »hochrangigen Wirtschaftsdelegation« geht es nun mal um die Pflege und Intensivierung der Handelsbeziehungen. Die sind schon lange ganz hervorragend. Insbesondere in bezug auf Rüstungsgüter. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sind dankbare Großabnehmer deutscher Waffenwertarbeit. Und so war es nur folgerichtig, Unternehmen wie EADS mit an Bord zu haben. Pikant ist, daß es bei Merkels Tour nicht nur um die Intensivierung der militärischen Zusammenarbeit geht, sondern um deutsche Hilfe für den Ausbau der nuklearen Kapazitäten auf der Arabischen Halbinsel.

Die vom Bund geförderte Wirtschaftsförderungsgesellschaft Germany Trade & Invest hat im Jahr 2007 beklagt, daß Unternehmen für Sicherheitstechnologie in den Golfstaaten erhebliche Vorteile genössen, da es dort »keinerlei juristische oder administrative Hindernisse beim Einsatz« gäbe und »Überlegungen wie Datenschutz nicht die Anwendungen entsprechender Technologien« behindern würden. Im selben Jahr wurden auf deutscher und europäischer Ebene auf Drängen insbesondere der deutschen Industrie Programme zur »Sicherheitsforschung« aufgelegt, mit denen wiederum Millionen Euro in hiesige Unternehmen gepumpt wurden. Nun, nachdem der erste Förderungszyklus abgeschlossen ist, werden die Ergebnisse den Diktaturen am Golf präsentiert, in denen es - laut Germany Trade & Invest - nicht nur darum geht, »erhebliche ausländische Bevölkerungsanteile zu erfassen ... und auch zu kontrollieren«, sondern selbst »die eigene Bevölkerung nicht zuletzt aus politischen Gründen im Auge [zu] behalten«. Auch hier ist es nur konsequent, daß Merkel versprach, sich nun persönlich für den Abschluß von Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Golfstaaten einzusetzen - die Vereinbarung scheitert seit fast 20 Jahren an »lästigen« Menschenrechtsfragen. Daß die Kanzlerin nebenbei noch an der gemeinsamen Front mit den islamistischen Golfdiktaturen gegen den Iran bastelt, verkommt vor diesem Hintergrund zum schlechten Witz.

Von Sevim Dagdelen

junge Welt, 28. Mai 2010