Zum Hauptinhalt springen

Koalition lässt ostdeutsche Wohnungswirtschaft im Regen stehen

Rede von Heidrun Bluhm-Förster,

Die bestehende Altschuldenproblematik ist das Haupthindernis beim Stadtumbau in den neuen Bundesländern - daher ist eine generelle Altschuldenentlastung für die Wohnungsunternehmen unabhängig von deren Leerstandsquote dringend nötig.

"Es ist wohnungspolitischer und wirtschaftlicher Unsinn, dass ein Wohnungsunternehmen erst in eine existenzbedrohende Lage geraten muss, um von willkürlichen Altschulden entlastet zu werden".

Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN Generelle Altschuldenentlastung auf dauerhaft leer stehende Wohnungen

- Drucksachen 16/2078, 16/3082 -

Ich gebe das Wort der Kollegin Heidrun Bluhm, Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)

Heidrun Bluhm (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Gäste! Im Jahre 1999, damals frisch in der Opposition, hat die CDU/CSU zu Recht eine Novellierung des Altschuldenhilfe-Gesetzes gefordert, weil - ich zitiere aus ihrem Antrag -

„...sich die Rahmenbedingungen für wohnungswirtschaftliches Handeln gegenüber dem Inkrafttreten des Altschuldenhilfe-Gesetzes ... erheblich verschlechtert haben. Eine nur zögerliche Wirtschaftsentwicklung und ein ... spürbarer Bevölkerungsrückgang haben dazu geführt, dass Wohnungsunternehmen insbesondere in strukturschwachen Regionen einen erheblichen Wohnungsleerstand haben. Leerstandsquoten von deutlich über 10 % sind inzwischen keine Seltenheit, in nicht wenigen Fällen steht mehr als 1/5 des Wohnungsbestandes eines Unternehmens leer. Die Folgen sind erhebliche Mieteinnahmenverluste. Viele der betroffenen Unternehmen haben daher große Schwierigkeiten, ihre Altschulden zu bedienen, ohne auf zum Teil immer noch dringend erforderliche Sanierungs- und Modernisierungsinvestitionen in ihrem Wohnungsbestand gänzlich zu verzichten. Diesen Unternehmen in Gebieten mit einem hohen strukturellen Leerstand sowie mit besonderen Belastungen aus negativen Restitutionsfällen kann wirksam nur dadurch geholfen werden, dass ihnen eine weitere Teilentlastung für die Altschulden gewährt wird.“

Die Analyse ist völlig richtig. Die Schlussfolgerung ist allerdings inkonsequent.

Im Rahmen der Beratungen zum Haushalt 2007 hatte meine Fraktion die Aufstockung des Altschuldenhilfefonds gefordert. Aber auch hier lehnten Sie ab, meine Damen und Herren der Koalition. Dieses nährt den Verdacht, dass die jetzige Koalition weder willens noch in der Lage ist, das Altschuldenproblem zu lösen.

(Beifall bei der LINKEN)

Heute zeigt sich, dass die mit rot-grüner Bundestagsmehrheit beschlossene Gesetzesnovelle mit ihren Teilentlastungen - zum Beispiel die Aufhebung der Veräußerungspflicht und die Einführung der Härtefallregelung des § 6 a des Altschuldenhilfe-Gesetzes - das Altschuldenproblem nicht lösen konnte.

Wissenschaftliche Analysen zeigen, dass der Wohnungsleerstand gerade in Ostdeutschland auf lange Sicht auf einem hohen Niveau verbleiben wird und auch in den alten Bundesländern in vielen Regionen schnell wächst. Demografischer Wandel, Wanderungsbewegungen, anhaltende Strukturschwäche ganzer Regionen sowie verminderte bzw. ausbleibende Investitionen und somit Mietverluste verschärfen die wirtschaftliche Situation der Wohnungswirtschaft in Ostdeutschland bis hin zu Insolvenzen.

Die Folge ist, dass insbesondere Kommunen gerade auch deshalb dazu gezwungen sind, ihre lukrativen Wohnungsbestände ganz oder teilweise zu veräußern, um ihre laufenden Kredite überhaupt bedienen zu können. Für den Erhalt der kommunalen Wohnungswirtschaft als sozialpolitisches Instrument und Stadtentwickler ist es höchste Zeit für die Streichung der nach unserer Auffassung ohnehin fiktiven Altschulden.

(Beifall bei der LINKEN)

Gut sieben Jahre nach der letzten Novellierung des Altschuldenhilfe-Gesetzes bleibt nach unserer Auffassung die Altschuldenhilfe eine vereinigungsbedingte Sonderaufgabe des Bundes.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke fordert deshalb die Streichung der Altschulden. Es ist wohnungspolitischer und wirtschaftlicher Unsinn, dass ein Wohnungsunternehmen erst in seiner Existenz bedroht sein muss, um von willkürlich geschaffenen Schulden entlastet zu werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Mindestens jedoch müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass jedes von Altschuldenhilfeproblematik betroffene Wohnungsunternehmen in den neuen Ländern auch Altschuldenhilfe in Anspruch nehmen kann. Die Härtefallregelung nach § 6 a des Altschuldenhilfe-Gesetzes greift inhaltlich und zeitlich zu kurz. Gegenwärtig können Wohnungsunternehmen die Regelung zur Altschuldenentlastung nur in Anspruch nehmen, wenn der Leerstand der Unternehmen mehr als 15 Prozent beträgt. Es bedarf zwingend der generellen Lösung der Altschuldenfrage für alle Wohnungsunternehmen, und zwar unabhängig davon, wie hoch die Leerstandsquote des jeweiligen Unternehmens ist. Ansonsten sind die Ziele des Stadtumbaus nämlich nicht zu erreichen.

Um die Zielsetzung des Stadtumbauprogramms, wie es die Bundesregierung beschlossen hat, bis Ende 2009 circa 350 000 Wohnungen vom Markt zu nehmen, überhaupt zu erreichen, müssen sich alle Wohnungsunternehmen am Stadtumbau beteiligen. Für die Unternehmen mit weniger als 15 Prozent Leerstand, die allein über 900 000 leer stehende Wohnungen verwalten, besteht heute kein finanzieller Anreiz, sich am Stadtumbauprozess engagiert zu beteiligen. Das gilt es zu korrigieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Alle Fraktionen im Deutschen Bundestag sind daher aufgerufen, in diesem Sinne verantwortungsvoll zu handeln und sich dem Antrag anzuschließen. Nur so können wir die Probleme der ostdeutschen, vor allem der kommunal und genossenschaftlich verankerten Wohnungswirtschaft sowie des Stadtumbaus Ost nachhaltig lösen.

Herzlichen Dank, meine Damen und Herren. Ich wünsche Ihnen ein schönes und sturmfreies Wochenende.

(Beifall bei der LINKEN)