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Hoffnungen ohne Illusionen

Pressemitteilung von Gregor Gysi,

Zur Berliner Rede des designierten Kandidaten der Demokraten für die Präsidentschaftswahlen in den USA, Barack Obama, erklärt der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Gregor Gysi:

"Obama vertritt eine neue Generation und strahlt einen anderen Zeitgeist aus, allerdings befangen im bisherigen System. Zu begrüßen ist sein Grad an Souveränität, sein Charisma, vor allem aber seine Bereitschaft, auf andere Länder zuzugehen, anderen Menschen zuzuhören. Er will nicht kulturell dominieren, sondern verschiedene Kulturen akzeptieren.

Zu begrüßen sind seine Äußerungen, nicht nur in einzelnen Ländern den Besitz von Atomwaffen zu unterbinden, sondern sie schrittweise generell, das heißt auch in den USA, abzuschaffen. Zu begrüßen ist, dass er dem Iran nicht militärisch droht. Zu begrüßen ist, dass er endlich die Soldaten aus dem Irak abziehen und stattdessen zivile Hilfe leisten will. Zu begrüßen ist, dass er ernsthaft gewillt scheint, einen Beitrag zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes zu leisten.

Befangen ist er in der Idee, Terrorismus militärisch bekämpfen zu können und zu müssen. Krieg erzeugt aber neuen Terrorismus und besiegt ihn nicht. Deutschland sollte seine Truppen dort nicht verstärken, sondern abziehen. Da Obama zuhören kann, könnte die Kanzlerin es ihm erklären, wenn sie es nur wollte.

Man darf mit Obama Hoffnungen verbinden, wie die 200.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer seiner Kundgebung in Berlin zeigen, sollte aber Illusionen vermeiden. Die wirtschaftlichen Machtverhältnisse, die Administration, das Militär und die Geheimdienste bleiben gleich. Er will nicht aus diesem System, auch nicht aus dem Kapitalismus, aussteigen. Aber immerhin, er hätte Spielräume. Die Frage ist, wie er sie nutzen würde. Akzeptierte er, dass die USA völkerrechtlich gebunden höchstens die Ersten unter Gleichen sein dürften, wäre dies ein bedeutender Akt.

Würde Obama zum Präsidenten gewählt werden, wäre dies ein kulturelles Jahrtausend-Ereignis, nicht nur in den USA. Noch vor kurzem wäre eine solche Wahl, auch durch weiße Texaner, völlig undenkbar gewesen. Mit ihr würde eine kulturelle Veränderung eingeleitet werden, die man sich in ihrer Tiefe kaum vorstellen kann."