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Zivile Krisenprävention macht nur Sinn als Teil einer aktiven Friedenspolitik

Rede von Heike Hänsel,

Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE., in der Bundestagsdebatte zum Ersten Bericht der Bundesregierung zum Aktionsplan Zivile Krisenprävention:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Königshaus, ich war davon ausgegangen, dass alle Abgeordneten, die zu diesem Tagesordnungspunkt sprechen wollten, ihre Reden zu Protokoll geben. Als ich erfahren habe, dass sich das geändert hat, habe ich mich, weil dieses Thema sehr wichtig ist, nachnominieren lassen.

(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nachnominieren? Das ist ja wie bei der Fußball-WM!)

Eines muss ich Ihnen gleich zu Beginn sagen: Weder durch die Präsenz im Beirat noch dadurch, dass man hier eine Rede hält, leistet man einen nachhaltigen Beitrag zur Friedenspolitik. Das glauben Sie hoffentlich nicht im Ernst! Dafür sind größere Anstrengungen notwendig. Ich zum Beispiel war als Anhängerin der Friedensbewegung jahrelang auf der Straße, habe viele Krisenregionen besucht und mich für die Nutzung von Instrumenten der zivilen Krisenprävention eingesetzt. Die Politik der Bundesregierung war nämlich eine andere. Wenn Sie glauben, dass Sie mit einer Rede die Welt verändern können, dann muss ich Ihnen sagen: Das ist völlig unrealistisch. Entscheidend ist, dass wir aktiv sind und Initiativen ergreifen.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit komme ich zum Knackpunkt des Konzeptes der zivilen Krisenprävention. Dieser Aktionsplan wurde von Friedensgruppen und von entwicklungspolitischen Organisationen erst einmal begrüßt. Aber es gab schon bei der Formulierung einige Kritik an der inhaltlichen Ausrichtung. Mehrere Bereiche, die wir kritisieren, wurden genannt. Zentraler Kritikpunkt ist der Sicherheitsbegriff, der dem Aktionsplan zugrunde liegt und den Sie auch erwähnt haben, Frau Zapf. Für uns ist ganz klar: Solange wir in Deutschland von einem Sicherheitsbegriff ausgehen, zu dem eine militärische Absicherung des Zugangs zu Ressourcen zählt, sind wir ein Teil des Problems, nicht der Lösung.

(Beifall bei der LINKEN - Uta Zapf (SPD): Ich empfehle Ihnen, einmal den Aktionsplan zu lesen!)

Zivile Krisenprävention macht überhaupt nur Sinn als Teil einer aktiven Friedenspolitik, die von der Bundesregierung formuliert werden muss. Sie kann eine militärische Politik nicht abfedern, sie kann kein Beiwerk sein. Man kann nicht Jugoslawien bombardieren und dann einfach ein paar zivile Friedenskräfte in die Region schicken; diese Arbeitsteilung funktioniert nicht. Deswegen fordern wir einen Wechsel in der Grundausrichtung der deutschen und europäischen Außenpolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir erleben zunehmend eine Vermischung des Zivilen und des Militärischen. So etwas liegt auch diesem Aktionsplan zugrunde: Es werden zunehmend zivil-militärische Instrumente formuliert. Für mich als Mitglied des Ausschusses für Entwicklungspolitik ist es ein Widerspruch in sich, zu behaupten, militärische Instrumente könnten einen Beitrag zu ziviler Krisenprävention leisten. Zivile Krisenprävention muss das ist der Anspruch an uns zivil formuliert werden. Wir müssen die zivilen Instrumente entsprechend ausstatten, ja erst entwickeln. Ich glaube, in vielen Bereichen fehlt schlicht die politische Fantasie, was es alles an zivilen Instrumenten geben kann. Mit welcher Intensität, mit welchen finanziellen Ressourcen wird unsere Armee, wie auf europäischer Ebene formuliert, in eine Interventionsarmee umgebaut! Das steht in keinem Verhältnis zur Bedeutung ziviler Instrumente, geschweige denn zu ihrer angemessenen finanziellen Unterstützung. Wir sagen: Wir brauchen ganz andere Instrumente. Im Grunde müssen wir das Ministerium für Verteidigung in ein Ministerium für zivile Krisenprävention umbauen. Denn es geht überhaupt nicht mehr um Landesverteidigung wir betreiben eine Politik der militärischen Intervention.

(Beifall bei der LINKEN Uta Zapf (SPD): Keine Ahnung!)

Ein richtiger Schritt wäre es, zu sagen: weg von diesen Militärhaushalten und weg von Rüstungsexporten! Der beste Beitrag zu ziviler Krisenprävention sind internationale Abrüstung und ein Stopp aller Rüstungsexporte.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein weiterer wichtiger Punkt: Wir müssen uns auch Gedanken über unseren Ressourcenverbrauch machen. Es ist ein integraler Bestandteil ziviler Krisenprävention, das Energiesystem umzustellen. Auch da sind die Ansätze der Bundesregierung viel zu zaghaft. Es gibt sogar Stimmen, die in eine ganz andere Richtung gehen, und das, obwohl ganz klar ist, dass die Umstellung des Weltenergiesystems ein entscheidender Beitrag zu ziviler Krisenprävention ist. Das betrifft auch die Handelspolitik. Wir haben gerade über die Doha-Runde gesprochen. Solange wir ein Handelssystem und ein Energiesystem haben, die die Ursachen für Konflikte sind, die weltweit entstehen, und die diese Dynamik auch noch verstärken, ist die zivile Krisenprävention marginalisiert. Deswegen setzen wir uns für einen grundsätzlichen Politikwechsel ein.

Mein letzter Punkt auch das kommt viel zu kurz, dabei ist es sehr wichtig sind die Akteure und Akteurinnen. Es geht darum, Partizipation zu organisieren. Viel mehr Menschen müssen in die Suche nach Lösungen für eine zivile Krisenprävention einbezogen werden. Wir haben solche Kapazitäten, wir haben umfassende Kompetenz in unserem Land, außerhalb dieses Parlaments, nämlich bei den Friedensgruppen, und auch vor Ort in den Krisenregionen. Wir besuchen die Mitarbeiter Jahr für Jahr vor Ort, in vielen Ländern. Es gibt viel zu wenig Unterstützung für diese Friedenskräfte, die in diesen Ländern unter schwierigen Bedingungen arbeiten. Das betrifft zum Beispiel den Nahen Osten. Wir geben sehr viel Geld aus für unsere UNIFIL-Beteiligung. Die israelischen Friedenskräfte, die libanesischen Friedenskräfte, die palästinensischen Friedenskräfte haben keine vergleichbare Unterstützung. Wir müssen die Menschen in diesen Regionen unterstützen. Das ist für mich ein ganz konkreter Beitrag zu ziviler Krisenprävention.
Danke.

(Beifall bei der LINKEN)