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Wir müssen Solidarität üben

Rede von Eva Bulling-Schröter,

Beratung des Antrags der Abgeordneten Bärbel Höhn, Dr. Hermann E. Ott, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -EU-Klimaziel anheben – 30 Prozent Emissions-minderung bis 2020> Drucksache 17/9175

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
im letzten Jahr hatte Die LINKE anlässlich der UN-Klimakonferenz in Durban bereits in einem Antrag gefordert, die europäischen Klimaschutzziele den Realtäten anzupassen.
Wir waren und sind der Meinung, wer bereits fast 16 Prozent Treibhausgase gegenüber 1990 eingespart hat, verspielt die Vorreiterrolle im Klimaschutz, wenn als Ziel für 2020 lediglich 20 Prozent anpeilt wird. Folglich haben wir 30 Prozent gefordert, und tun dies auch heute.

Warum brauchen wir die 30 Prozent? Erstens, weil sie dem Weltklima nützen. Zweitens, weil sie technisch und wirtschaftlich erreichbar sind. Und drittens, weil das ein Beitrag wäre, die Blockade bei den UN-Klimaverhandlungen aufzubrechen.
Nicht wer sich als erstes bewegt, hat bei letzteren verloren, sondern wer sich als letztes bewegt, wird der Verlierer sein. Schließlich würde das 30-Prozent-Ziel, wenn es mit Programmen und Instrumenten unterlegt ist, einen Innovationsschub auslösen. Nicht nur in erneuerbare Energien, Speichersysteme und intelligente Netze, sondern auch in Energieeinspartechnologien und alternative Verkehrssysteme.

Ein solcher Schub schafft Beschäftigung und spart teure Importe von Kohle und Öl. Das kann im internationalen Wettbewerb nur von Vorteil sein. Wie ich bereits gesagt habe, muss ein solches Ziel unterlegt sein. Und darum wiederholen wir auch unsere Forderung vom Antrag im letzten Jahr, überschüssige Zertifikate im EU-Emissionshandelssystem stillzulegen.
Die Preise für die Emissionsberechtigungen dümpeln gegenwärtig um die sieben Euro je Tonne CO2. Dafür investiert niemand in Energieeffizienz. Dafür bräuchten wir jene 20 bis 25 Euro, die für das System ursprünglich vorausgesagt waren.
Die Lenkungswirkung des Emissionshandels ist also genauso abgestürzt, wie der CO2-Preis. Und warum? Weil deutlich mehr Emissionsrechte am Markt sind als benötigt werden.

Dafür gibt es drei Gründe:
Erstens hatten und haben wir in weiten Teilen Europas eine Wirtschafts- und Finanzkrise, durch die Emissionen zwischenzeitlich rückläufig waren. Zweitens wurden - selbst wenn es gar keine Krise gegeben hätte viel zu viel Emissionsrechte verteilt - vor allem an die Industrie. Und drittens haben wir noch eine Schwemme an Emissionsgutschriften aus CDM-Auslandsprojekten. Viele davon sind zweifelhafter Herkunft, blähen also das System mengenmäßig auf, ohne das dahinter eine entsprechende CO2-Minderung im globalen Süden steht.

Natürlich drückt in der Tendenz auch ein Mehr an Energieeffizienz oder erneuerbare Energien auf den CO2-Preis. Dies dürfte aber nur marginal der Fall sein, denn diese Entwicklung wurde ja bei der Festsetzung der Emissionsobergrenzen weitgehend berücksichtigt.

Unter dem Strich bleibt die Feststellung: Wenn dauerhaft eine solche Menge überschüssige Zertifikate am Markt sind - warum auch immer - wurde das System falsch justiert. Die Klimaschutzziele waren dann offensichtlich nicht ambitioniert genug. Doch solch niedrige Zertifikatspreise sind nicht akzeptabel, weil sie Investitionen in Energieeffizienz hemmen.
Darum ist die LINKE der Auffassung, dass es notwendig ist, jene Menge der Emissionsberechtigungen um mindestens 1,4 Milliarden CO2-Zertifikate zu kürzen, die in der nächsten Handelsperiode versteigert bzw. anderweitig vergeben werden soll. Denn die Überschüsse sind ja leider dahin übertragbar. Andernfalls wird Europa die innovations-feindlich niedrigen CO2-Preise in die ferne Zukunft schleppen.

Die EU-Kommission hat für eine solche Kürzung mehrfach Vorstöße gemacht. Deutschland hat sich hier jedoch stets bedeckt gehalten oder gar blockiert, wie auch bei der EU-Energieeffizienz-Richtlinie. Dennoch gibt es ein ermutigende Signal aus Brüssel. Klimakommissarin Connie Hedegaard hat beim informellen EU-Umweltministerrat letzte Woche angekündigt, Änderungen an der EU-Versteigerungsverordnung in Angriff nehmen zu wollen. Deutschland muss dies unterstützen. Und zwar mit dem Ziel, die Emissionsrechte nicht nur eine Weile beiseite zu legen, sondern endgültig stillzulegen.

Dieser Prozess muss verbunden werden mit der Verschärfung des europäischen Klimaschutzziels auf minus 30 Prozent bis 2020 gegenüber 1990. Um dies bei allen Mitgliedstaaten durchsetzbar zu machen, halten wir es für geboten, Solidarität zu üben. Staaten, die besonders schlechte Voraussetzungen für die zusätzlichen CO2-Einsparungen haben, sollte unter die Arme gegriffen werden – auch und gerade von Deutschland.
Konkret sollte die gegenwärtig prosperierende Bundesrepublik seinem Nachbarn im Osten helfen. Denn das Kohleland Polen wird einem ambitionierten gemeinsamen Klimaschutzziel nur zustimmen, wenn es Unterstützung erhält. Diese Unterstützung sollten wir gewähren. Es wäre auch ein Beitrag dafür, Europa wieder zu einem starken Verhandlungspartner bei den UN-Klimaverhandlungen zu machen.