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Wettbewerb nur da, wo er Sinn macht

Rede von Herbert Schui,

Dr. Herbert Schui (DIE LINKE):
Wenn Wettbewerb das Fundament der sozialen Marktwirtschaft sein soll, das behauptet der FDP-Antrag ja, dann ist die Frage gestellt, was denn der Wettbewerb im Konzept der sozialen Marktwirtschaft bewirken soll. Für Eucken - bekanntlich der entscheidende Theoretiker dieser Richtung - war Wettbewerb nicht eine ergebnisoffene Veranstaltung - so das Verständnis der FDP. Vielmehr sollte er in seiner Idealform als vollständiger Wettbewerb drei Ziele verwirklichen: Erstens. Die Unternehmen sind so klein, dass sie keinen politischen Einfluss ausüben können. Damit ließe sich eine klare Trennung zwischen der Sphäre der Wirtschaft und des Staates erreichen. Zweitens. Der Wettbewerb führt die wirtschaftlichen Hilfsmittel ihrer bestmöglichen Verwendung zu. Drittens. Wettbewerb ist die Triebkraft der technischen Entwicklung. Also ein klarer Zweck! Damit kann im Sinne der sozialen Marktwirtschaft Wettbewerb nicht Zweck an sich sein. Er muss sich vielmehr - wie jede wirtschaftliche Organisationsform - mit seinen Ergebnissen rechtfertigen. Er kann sich nicht mit sich selbst legitimieren bzw. damit, dass er - so die FDP - die „Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer“ schützt.
Die FDP ist in ihrem Antrag unentschlossen: Auf der einen Seite fordert sie den ergebnisoffenen, den Wettbewerb als Selbstzweck - auf der anderen Seite aber soll er konkreten Schutzanliegen nachkommen, so „die Marktmacht“ eliminieren oder die „Konsumentenwohlfahrt fördern“. Erfüllt er aber diese Erwartungen, dann ist er nicht mehr ergebnisoffen. Also was denn nun, was ist die Wettbewerbsidee der FDP, wie soll er begründet werden?
Die FDP ist besorgt über die Abwertung des Art. 3 Abs. 1 EGV. Darin ist unter anderem der freie Dienstleistungsverkehr festgeschrieben. Damit ist der freie Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt mit gemeint. Die Konsequenzen aus diesem Artikel sind die Dienstleistungsrichtlinie und etliche Urteile des EuGH, die die Koalitionsfreiheit drastisch einschränken. So kippte das Rüffert-Urteil das niedersächsische Vergaberecht. Wie schon in den Urteilen zu Laval und Viking Line hat der EuGH auch hier entschieden, dass der Kampf um gleiche Löhne und Arbeitsbedingungen mit Verweis auf die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit der Unternehmen eingeschränkt werden kann. Damit ist die Koalitionsfreiheit nichts mehr wert.
Wenn auch auf dem Arbeitsmarkt nach Vorstellungen der FDP freier und unverfälschter Wettbewerb herrschen soll, dann bedeutet das vor allem eine Minimierung des Lohnes und die Schwächung der Gewerkschaften. Der Lohn darf kein Wettbewerbslohn sein. Deshalb gibt es Lohntarifverträge und - unterstützend - den gesetzlichen Mindestlohn. Eine solche Barriere auf der Lohnseite verhindert, dass unternehmerischer Einfallsreichtum sich auf Lohnsenkungen konzentriert statt auf Prozess- und Produktinnovationen.
Wenn aber Wettbewerb ergebnisoffen ist, dann fragt sich, ob alle dieses Ergebnis akzeptieren. Was wollen Sie tun, wenn bei ergebnisoffenem Wettbewerb die Löhne absinken und dies von den Beschäftigten nicht hingenommen wird? Wollen Sie Demonstrationen untersagen und, wenn nötig, deswegen das Grundgesetz ändern, damit schließlich alle den Wettbewerb als Selbstzweck akzeptieren?