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Völkerrecht statt Neoliberalismus gegenüber Serbien

Rede von Sevim Dagdelen,

Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Stabilisierungsabkommen vom 29. April 2008 zwischen den Europäischen Gemeinschaften und Ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Republik Serbien andererseits (BT-Drs. 17/3963)

Der deutsche Außenminister Westerwelle ließ in seiner Pressemitteilung zur Wahl am vergangenen Wochenende im Kosovo verlauten: „Ich bin zuversichtlich, dass der 12. Dezember ein erfolgreicher Tag für die Demokratie und die Menschen in diesem jungen Staat wird.“ Nach der Wahl hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der EU-Außenbeauftragten Ashton und des EU-Erweiterungskommissars Štefan Füle: „Wir freuen uns darauf, mit der neuen kosovarischen Regierung zusammenzuarbeiten und baldmöglichst den Dialog zwischen Prishtina und Belgrad zu beginnen.“ Einen Tag zuvor hatte der Europarat einen Bericht von Dick Marty veröffentlicht, nach dem der wiedergewählte kosovarische "Regierungschef" Hashim Thaci während des NATO-Angriffskrieges gegen Jugoslawien schwere Kriegsverbrechen an Serben begangen hätte. Ein Krieg, den die damalige rot-grüne Bundesregierung mit teilweise gefälschten Berichten über serbische Massaker und „Hufeisenpläne“ begründete. Aus dem Bericht geht auch hervor, dass Thaci bis heute ein führender Kopf des Organisierten Verbrechens wäre und sich wegen seiner politischen Ämter und seiner guten Kontakte zu westlichen Regierungen und Geheimdiensten „unberührbar“ fühlt. Die NATO, die EULEX, der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien und sämtliche westlichen Geheimdienste wüssten von den schmutzigen Geschäften der kosovarischen "Regierungen", hätten aber ihre Ermittlungen auf politischen Druck hin eingestellt. Laut dem Bericht des Europarates hätten sie sogar Beweismittel vernichtet.
Das verwundert kaum. Denn es war Hashim Thaci, der nach Verhandlungen mit der deutschen und den europäischen Regierungen im Februar 2008 die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo ankündigte, die bereits nach wenigen Tagen von der deutschen Regierung anerkannt wurde. Der deutsche Geheimdienst warnte damals schon, hier werde ein Mafia-Staat errichtet. Ende August traf sich Westerwelle noch mit Thaci, schüttelte – wie zuvor schon seine grünen und rosa-roten Vorgänger Fischer und Steinmeier – diesem Kriegsverbrecher die Hand und brüstete sich damit, dass Deutschland „einer der ersten Staaten [war], die die Republik Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt haben.“

Bundesaußenminister Westerwelle wurde bei seiner damaligen Reise auf den Balkan nicht müde, auch den folgenden Satz zu sagen: „Das, was uns betrifft, gehört nach Brüssel und nicht nach New York“. Was er damit gemeint hat, war unverblümt: Hier in Europa gilt unser eigenes Gesetz und nicht das Völkerrecht. Und dieses Gesetz schreiben wir in Brüssel und wir schreiben es in jedem Fall neu, je nach unseren Interessen. Deshalb erklären wir die Abspaltung des Kosovo für legitim, während wir drohen, die Unabhängigkeit der Republik Srpska von Bosnien und Herzegowina notfalls auch mit Waffengewalt zu verhindern.

Es ging damals um einen Resolutionsentwurf, den Serbien in die UN-Vollversammlung eingebracht hatte, der erneut – im Einklang mit dem Völkerrecht und den vorangegangenen UN-Resolutionen – die Prinzipien der Souveränität und territorialen Unversehrtheit betonte und neue Statusverhandlungen im Rahmen der UN einforderte. Deutschland drohte damals, die Weiterleitung des serbischen Beitrittsersuchens zur EU nicht an die Kommission weiterzuleiten, sollte Serbien von diesem Entwurf nicht Abstand nehmen. Serbien knickte ein und brachte stattdessen einen neuen Entwurf ein, in dem die EU aufgefordert wurde, einen Dialog zwischen Belgrad und Priština zu moderieren. Deutschland hat somit verhindert, dass die UN-Vollversammlung im Namen des Völkerrechts zur Sezession des Kosovo Stellung nehmen konnte und somit tatsächlich das Völkerrecht durch ein Brüsseler Recht ersetzt. In diesem Zusammenhang ist auch zu verstehen, warum wir erst heute über den vorliegenden Gesetzentwurf debattieren, mit dem ein Abkommen vom Frühjahr 2008 ratifiziert werden soll.

Das Stabilisierungsabkommen, über das wir heute diskutieren, ist datiert auf den 29.4.2008. Abgeschlossen wurde es zu diesem Zeitpunkt, um die pro-EU-Kräfte bei den damals stattfindenden Parlamentswahlen in Serbien zu stärken. Dass das Abkommen so bald nicht ratifiziert würde, wurde schon damals offen ausgesprochen.
DIE LINKE warnt davor, den EU-Beitrittsprozess zur Aushebelung des Völkerrechts zu missbrauchen. Das Völkerrecht gilt auch für Europa und die Kriegsverbrecher aller Seiten müssen im gleichen Maße verfolgt werden. Sie können nicht die einen vor Gericht stellen und die anderen zum "Regierungschef" eines illegitimen Mafia-Staates machen. DIE LINKE fordert die Bundesregierung auf: Kündigen sie den Pakt mit dem Teufel und geben sie Ihre Unterstützung für die Sezession des Kosovo auf.

Zuletzt noch zum Inhalt dieses Abkommens, der leider hier sehr kurz kommt, da das Abkommen instrumentalisiert wurde. Das Abkommen zwingt Serbien – ich zitiere aus dem Gesetzentwurf – „seinen Außenhandel gegenüber der Union vollständig zu liberalisieren“. Dadurch sollen – ich zitiere weiter – „deutschen Unternehmen verbesserte Exportchancen“ geboten und „die Niederlassung von Unternehmen aus der Europäischen Union in Serbien“ erleichtert werden. Schon heute drängen deutsche Telekommunikations- und Energieunternehmen massiv auf den serbischen Markt, was zu steigenden Preisen für die Bevölkerung führen wird. Zugleich wird Serbien gezwungen, Löhne und Sozialleistungen drastisch zu kürzen um, wie es heißt, „dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften in der Europäischen Union standhalten zu können.“ Zugleich lehnt die Bundesregierung jeden „Beitrittsautomatismus“ ab. Das heißt: Selbst wenn Serbien all diese neoliberalen Reformen durchführt, wird es vermutlich niemals selbst in die EU aufgenommen werden und mitbestimmen können. Erkauft wird dieses Abkommen mit Heranführungshilfen und Darlehen in Milliardenhöhe. Wenn diese eines Tages versiegen, wird sich die EU mit dem nächsten völlig verarmten und verschuldeten Staat an ihrer Peripherie konfrontiert sehen. Mit ihrer neoliberalen Politik arbeitet die Bundesregierung mitten in der Krise schon an den Zusammenbrüchen und Aufständen von Morgen. DIE LINKE lehnt diesen Irrweg ab und fordert eine Abkehr vom Neoliberalismus und eine Rückkehr zum Völkerrecht. Maxime deutscher Außenpolitik muss Demokratie, Sozial- und Rechtsstaatlichkeit sein.