Tagesordnungspunkt 9.
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Künast, Bärbel Höhn, Dr. Hermann Ott, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Regierungs- und Parlamentshandeln konsequent am
40-Prozent-Klimaziel ausrichten
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich spreche jetzt nicht über Spielchen, wie vorhin gesagt wurde, sondern über den Klimagipfel. Der Klimagipfel war aus Sicht der Linken ein Desaster das muss man immer wieder sagen : kein verbindliches ambitioniertes Klimaschutzabkommen, sondern nur ein unverbindliches, völlig unzureichendes Abschlussdokument, das lediglich zur Kenntnis genommen werden konnte. Mehr war da nicht.
Das ist das Ergebnis des größten UN-Klimagipfels aller Zeiten nach zweijähriger Vorbereitungszeit. Da kann ich nur sagen: Bravo!
Dass das Abschlussdokument nicht verabschiedet wurde, empfinde ich persönlich nicht als einen Beinbruch; denn es steht überhaupt nichts darin. Also braucht man auch nichts zu verabschieden. In diesem Dokument ist das Ziel formuliert, die Erderwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen. Diese Formulierung bleibt folgenlos und ist nichtssagend.
Die notwendigen Minderungsziele werden eben nicht benannt. Dafür befindet sich in diesem Dokument eine leere Tabelle mit dem Aufruf an die Industrieländer, bis Ende Januar an das UN-Klimasekretariat freiwillig, also nach Klingelbeutelmethode, Minderungsziele für 2020 zu melden. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt. Wahrscheinlich kommt das Gleiche wie in Kopenhagen heraus.
Wenn ich mir anschaue, was da angeboten wurde, dann stelle ich fest: Die Summe dieser Angebote würde zu einer Erderwärmung von durchschnittlich 3,5 Grad Celsius führen. Der Chef des PIK, des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, Herr Schellnhuber, spricht allerdings davon, dass dann über Land eine Erderwärmung von 5 Grad Celsius befürchtet werden müsse. Man muss den Menschen in diesem Land sagen, worum es überhaupt geht: Es geht um eine zu befürchtende Klimaerwärmung von 5 Grad und nicht von 2 Grad oder 1,5 Grad. Hier müssen wir handeln, im Interesse der Menschen, die demnächst wahrscheinlich absaufen werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Industrieländer haben zuwenig vorgelegt wir haben es gehört : Die USA haben ein Minus von 4 Prozent angeboten. Der CO2-Ausstoß der USA ist von 1990 bis jetzt um 17 Prozent gestiegen. Das ist natürlich zu viel. Die USA müssen sich bewegen. An diesem Punkt liegt die Hauptursache für die Blockade des Gipfels und nicht bei den angeblichen Desperadostaaten wie Venezuela oder Bolivien.
(Michael Kauch (FDP): Ihre Freunde!)
Meine Freunde. In Bezug auf Hugo Chávez und Evo Morales ist von einigen eine Gespensterdebatte angestoßen worden. Ich muss Ihnen sagen: Mir haben die beiden gut gefallen. Endlich wurde auf der Klimakonferenz einmal über Kapitalismus, über Arm und Reich und über Verantwortung gesprochen. Ich finde, es ist an der Zeit, dass das in viel größerem Ausmaß geschieht.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Frau Kollegin Bulling-Schröter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kauch?
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Ja, klar.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Bitte schön, Herr Kauch.
Michael Kauch (FDP):
Liebe Kollegin, können Sie mir als Vertreterin der neuen Kommunistischen Internationalen wie immer man die Achse mit Venezuela und Bolivien nennen mag erklären, was die von Ihnen offensichtlich befürwortete Linie zu Venezuela und Bolivien in Verbindung mit einem Land wie Saudi-Arabien bringt? Venezuela und Saudi-Arabien hatten eine gemeinsame Verhandlungsposition: Wir blockieren diese Konferenz; wir blockieren die Verhandlungen. Das bedeutet ganz klar, dass Sie als Linke es hier offensichtlich begrüßen, dass ein feudales und in seinem wirtschaftlichen Gehabe eher kapitalistisches Regime, das vom Ölverkauf lebt, durch Ihre sozialistischen Freunde unterstützt wurde.
(Ulrich Kelber (SPD): Die Frage ist sehr berechtigt!)
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Ich höre gerade: „Die Frage ist sehr berechtigt!“ Mir geht es um die Reden. Dabei ging es um Arm und Reich und um Verantwortung. Dass die Ölstaaten eine Verantwortung haben, das wissen Sie so gut wie ich; Sie kennen mich.
(Beifall bei der LINKEN)
Man muss Lösungen finden. Wir sind der Meinung: Fossile Energien müssen eingespart werden. Auch wir als Industriestaat müssen eventuell dafür bezahlen, dass diese Länder kein Öl mehr fördern. Das müssen wir diskutieren; da sind wir uns einig.
(Ingbert Liebing (CDU/CSU): Schön um die Frage herumgeredet! Keine Antwort auf die Frage! - Zuruf des Abg. Ulrich Kelber (SPD))
Bei Saudi-Arabien nicht. Es geht um andere Länder.
Es ist kein Wunder, dass sich die Supermacht China bei den mickrigen Angeboten der Industriestaaten verweigert, verbindliche Zielstellungen zu übernehmen. Es ist auch nicht überraschend, dass Tuvalu wenig Lust hat, seinen Untergang zu beschließen, oder Nicaragua seine Versteppung. Es wurden wenige finanzielle Beschlüsse gefasst, und es wurde viel diskutiert. Es ist nicht klar, wer die versprochenen 100 Milliarden Dollar zahlt.
Die EU und Deutschland haben keine Vorreiterrolle eingenommen.
Notwendig ist, dass sich die EU und Deutschland zum informell längst beschlossenen Ziel bekennen, den CO2-Ausstoß um 30 Prozent zu senken. Zu der versprochenen Summe von 100 Milliarden kann ich nur fragen: Wie soll das aufgeteilt werden? Ein Drittel sollen die Entwicklungsländer selbst bezahlen. Ein weiteres Drittel soll über Carbon Markets, das heißt über CDM usw., aufgebracht werden. Wir haben viel darüber gesprochen. Dabei handelt es sich zum großen Teil um faule Zertifikate. Einen solchen Weg kann man den Entwicklungsländern nicht zumuten. Außerdem soll das Ganze auf die Entwicklungshilfe angerechnet werden.
Ich kann dazu nur sagen: Die Bilanz von Kopenhagen ist verheerend, sowohl in klimapolitischen als auch in bürgerrechtlichen Fragen.
(Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Mit Bürgerrechten kennen Sie sich gut aus!)
Es gab Übergriffe gegen friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten, Pfefferspray-Angriffe und Schlagstockhiebe. Medienvertreter wurden verprügelt. Das ist für mich keine Demokratie. Wir wollen eine offene Demokratie.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir wollen den offenen Diskurs über diese Fragen. Das sind übrigens Überlebensfragen. Das trifft uns, wenn auch etwas später, nämlich genauso wie viele andere. Es wird endlich Zeit, dass gehandelt wird. Ein Klimaschutzgesetz ist wichtig. Es ist ein erster Schritt, genügt aber noch lange nicht.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Ingbert Liebing (CDU/CSU): So ein Schmarrn!)