Beratung des Antrags Abgeordneten Günter Gloser, Dietmar Nietan, Klaus Brandner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD - Für einen Neubeginn der deutschen und europäischen Mittelmeerpolitik (BT-Drs. 17/5487)
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Situation in Syrien wurde angesprochen. Die gegenwärtigen Kriegsdrohungen gegenüber Syrien und der vorangegangene völkerrechtswidrige Überfall der NATO auf Libyen zeigen eindrücklich, dass europäische Mittelmeerpolitik zurzeit nichts weiter ist als Außenpolitik, die das Recht des Stärkeren durchsetzt.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Mit welch schlimmen Folgen: Mehr als 50 000 Tote im Libyen-Krieg! Jetzt werden in den Lagern in Libyen sogenannte Gaddafi-Anhänger zu Tode gefoltert. Erst Ende Januar dieses Jahres wurde der ehemalige libysche Botschafter in Paris tot aufgefunden. Es kann einem schlecht werden, wenn man sich die Ergebnisse dieser Ihrer humanitären Interventionen ansieht.
(Beifall bei der LINKEN)
Deshalb steht die Linke, auch mit Blick auf die Mittelmeerregion, ohne Wenn und Aber für Verhandlungen statt Eskalation und auch über die Mittelmeerregion hinaus für Sicherheitsgarantien statt Förderung von Gewaltspiralen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich möchte Sie daran erinnern weil Sie so tun, als sei das alles nicht geschehen , dass Staatspräsidenten wie Assad vor nicht allzu langer Zeit bei der Gründung der Mittelmeerunion in Paris auch Sie haben sie unterstützt noch auf der Ehrentribüne sitzen durften.
(Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Oh ja!)
Unter Rot-Grün wurden Häftlinge mit BKA-Begleitung nach Syrien zum Foltern geflogen. Als einzige Partei hat die Partei Die Linke dies immer wieder verurteilt und kritisiert. Daran sollten Sie sich erinnern, wenn Sie jetzt über einen sogenannten Neubeginn sprechen.
Die SPD beruft sich in ihrem Antrag auf die Ziele der europäischen Sicherheitsstrategie, nach der ich zitiere „an den Mittelmeergrenzen ein Ring verantwortungsvoll regierter Staaten“ entstehen soll. Sie verschweigen, dass „verantwortungsvoll“ für die EU auch der libysche Diktator Gaddafi und bis vor kurzem eben auch Assad gewesen sind, solange der eine Migration bekämpft hat und der andere bereit war, durch outgesourcte Folter auch deutsche Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den sogenannten Terrorismus mit Informationen zu beliefern.
Im Grunde handelt es sich bei den Forderungen der Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion um die üblichen Zutaten des EU-Gesamtansatzes, das heißt um Grenzsicherung, Migrationsbekämpfung, den Abbau von Handelshemmnissen und die Einrichtung von Freihandelszonen. Herr Gloser hat das alles hier heruntergebetet. Sprich: Es ist die alte falsche Strategie. Sie wollen jemandem eine Medizin verabreichen, die zu einer schlimmen Krankheit geführt hat, und jetzt wollen Sie auch noch die Dosis dieser falschen Medizin weiter erhöhen.
(Günter Gloser (SPD): Sie haben nicht zugehört!)
Allein die Linke will den Mittelmeerraum nicht weiter mit Migrationsabwehr und Neoliberalismus beglücken. Die Menschen rund um das Mittelmeer haben wirklich etwas Besseres verdient als Frontex und andere Abschottungsinstrumente.
(Beifall bei der LINKEN)
Erschreckend ist an Ihrem Antrag auch, dass nicht einmal mit einem Wort die Tausenden von Toten an den Mittelmeergrenzen als Preis des gegenwärtigen Abschottungsregimes erwähnt werden. Sie strengen sich auch gar nicht an. Es gibt keine ernsthaften Überlegungen in Ihrem Antrag, wie man Menschenleben durch Lockerungen der Migrations- und Asylpolitik retten könnte.
(Beifall bei der LINKEN)
Stattdessen sprechen Sie von Rückübernahmeabkommen und Resettlement. Das ist einfach erbärmlich. Der UNHCR hat erst letzte Woche die neuesten Zahlen für das Jahr 2011 bekanntgegeben. Noch nie war eine so große Zahl von Menschen auf dem Weg nach Europa zu verzeichnen, die entweder noch als vermisst gelten oder ertrunken sind. Über 1 500 Tote und Sie sprechen hier von Resettlement und Rückübernahmeabkommen. Ich finde, Sie sollten umkehren und Ihre Migrationsabwehrpolitik ändern. Dass Sie das nicht tun, haben Sie letztens bewiesen, als Sie sich bei der Abstimmung über den Antrag der Linken zum Stopp der Abschiebungen nach Syrien enthalten haben.
Ich frage Sie, warum ein Weiter-so in Sachen Freihandelspolitik der EU und Migrationsbekämpfung gelten soll. Hier wäre doch die Möglichkeit für einen wirklichen Neubeginn gewesen. Die Linke findet, der wahre Maßstab für einen wirklichen Neubeginn ist die Einlösung des Versprechens von Freiheit, Gleichheit und Solidarität auch gegenüber den Menschen im Mittelmeerraum. Die Linke will diesen Neubeginn. Wir finden ich bitte Sie, lassen Sie uns das einmal gemeinsam versuchen , dass man hier mit ganz konkreten Schritten beginnen könnte, nämlich indem man einfach beschließt, keine Rüstungsexporte in den Mittelmeerraum und keine Abschiebungen von Migranten und Flüchtlingen aus dem Mittelmeerraum zuzulassen.
(Beifall bei der LINKEN)
Solidarität statt Krieg und Ausbeutung das sollte unser Motto sein. Dafür steht jedenfalls die Linke.
(Beifall bei der LINKEN Patrick Döring (FDP): Ziemlich allein allerdings!)