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»Sie wollen nichts unternehmen.«

Rede von Oskar Lafontaine,

Oskar Lafontaine in der Debatte über Managergehälter

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die nächste halbe Stunde bereitet uns - das möchte ich nicht verhehlen - durchaus Vergnügen. Wir sind auch nicht nur in lauterer Absicht hier; denn wir wollen Sie heute vorführen.

(Klaus Uwe Benneter (SPD): Ja, genau!)

Es geht nämlich darum, dass nicht nur in Deutschland, sondern in aller Welt viele Menschen sich darüber beklagen, wie die Einkommen auseinanderklaffen, dass insbesondere im Management in aller Welt, auch in Deutschland, mittlerweile Gehälter gezahlt werden, die von der großen Mehrheit der Bevölkerung schlicht als unanständig empfunden werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Warum wir Sie heute vorführen wollen und zur namentlichen Abstimmung einladen, hat folgenden Grund: Immer dann, wenn es irgendwelche Skandale gibt, wenn zum Beispiel Managergehälter nach allgemeiner Meinung viel zu hoch sind, wenn Abfindungen viel zu hoch sind, treten die Empörungspolitiker aller Fraktionen an und beklagen sich in der Boulevardpresse darüber, wie unverschämt das sei. Das war etwa damals bei der Abfindung von Esser bei MAN so. Quer durch alle Fraktionen gab es da eine große Empörung. Auch wenn über die Vorstandsgehälter der Deutschen Bank berichtet wird, gibt es quer durch die Fraktionen Leute, die sagen, das sei so nicht mehr hinnehmbar; teilweise wird das als obszön bezeichnet. Ihre große Empörung wird in der Boulevardzeitung zitiert.

Nun werden die normalen Bürgerinnen und Bürger sagen, wenn die Fraktionen über eine solche ungerechtfertigte Selbstbereicherung so empört sind, dann wird sicherlich irgendetwas unternommen werden. Das ist der Punkt, warum wir Sie heute zur namentlichen Abstimmung bitten: Sie wollen nichts unternehmen. Sie sind an dieser Stelle total unglaubwürdig. Während sich auf der einen Seite der Sektor der Löhne, von denen man nicht leben kann, immer weiter ausbreitet, tun Sie nichts dagegen, dass sich auf der anderen Seite die Managergehälter immer schamloser nach oben bewegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir machen Ihnen zwei Vorschläge. Der eine Vorschlag ist, die Managergehälter zu begrenzen. Ich zitiere den amerikanischen Banker Morgan, der bereits im vorletzten Jahrhundert gesagt hat: Ich möchte nicht, dass in meiner Bank ein Manager mehr verdient als das 20 Fache dessen, was derjenige erhält, der das niedrigste Einkommen in meiner Bank hat.
Nun lachen Sie darüber.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es hat gar keiner gelacht!)

Aber ich möchte Ihnen den Zusammenhang darstellen, der aus unserer Sicht besteht. Eine soziale Marktwirtschaft kann nur funktionieren, wenn sie auf einem ethischen Fundament beruht.

(Beifall bei der LINKEN - Joachim Stünker (SPD): Lafontaine’sche Ethik!)

Das heißt, es muss gewisse Grundüberzeugungen geben, von denen alle ausgehen können, die sich an dieser sozialen Marktwirtschaft beteiligen.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Die Sie ablehnen!)

Eine der Grundüberzeugungen ist, dass es einigermaßen gerecht zugeht. Jedem in Deutschland kann man erklären, dass qualifizierte Manager beispielsweise das 20 Fache dessen erhalten, was derjenige erhält, der das niedrigste Einkommen im Unternehmen hat. Das ist noch vermittelbar. Wenn aber heute Vorstandsvorsitzende das 150 Fache eines Facharbeiters haben, dann ist das nicht mehr vermittelbar. Das ist nicht mehr leistungsgerecht und hat auch mit Marktwirtschaft überhaupt nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist bedauerlich, dass Sie hier wieder zu feige sein werden, irgendetwas zu beschließen.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Wir haben schon längst was beschlossen!)

Sie können ja einen besseren Vorschlag machen. Aber Sie werden in der namentlichen Abstimmung heute und das bereitet Vergnügen deutlich machen, dass alle Ihre Reden draußen völlig unglaubwürdig sind.
Dasselbe gilt für die Aktienoptionen. Ein Mann wie Heiner Geißler, bei dem ich bedaure, dass er nicht mehr hier in diesem Hause sprechen kann,

(Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Das ist Heucheln!)

hat immer wieder darauf hingewiesen, wie obszön es ist, dass die Aktienkurse steigen, wenn Manager ankündigen, dass Tausende Arbeitsplätze abgebaut werden. Jawohl, dieser Zusammenhang ist nach Auffassung der Linken obszön.

Noch obszöner ist es aber, wenn man dadurch auch noch viel Geld verdient. Deshalb schlagen wir vor - das wäre mein zweiter Vorschlag -, die Belohnung von Managern mit Aktienoptionen zu untersagen; denn sie werden dadurch geradezu angereizt, Massenentlassungen anzukündigen, um das eigene Einkommen zu vermehren.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Es ist bedauerlich, dass dies bei Ihnen zu Gelächter führt.

(Manfred Grund (CDU/CSU): Es hat keiner gelacht! Was soll denn der Blödsinn?)

Das ist eine der Ursachen dafür, dass Sie im Volk immer mehr Glaubwürdigkeit verlieren.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))