Die Mitglieder des Sachverständigenrates sollen eine unabhängige Beratung zur wirtschaftlichen Entwicklung und den daraus zu ziehenden politischen Konsequenzen gewährleisten. Wenn jedoch jemand wie Rürup, der erst die gesetzliche Rente kürzt und dann beim Finanzdienstleister AWD mit der privaten Altersvorsorge als direkter Auswirkung seiner Beratertätigkeit sein Geld verdient, dann ist das an Unseriösität kaum mehr zu überbieten. Klaus Ernst spricht am 05.12.2008 zum von der LINKEN eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache 16/8980). Dieser Gesetzentwurf hat zum Ziel, die Interessenverbindungen und Einkünfte der Mitglieder des Sachverständigenrates offen zu legen.
Klaus Ernst (DIE LINKE):Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben im April 2008 einen Gesetzentwurf vorgelegt, um die Neutralität des Sachverständigenrates zu gewährleisten. Wir wollten und wollen mit diesem Gesetz erreichen, dass die Mitglieder des Sachverständigenrates ihre Einkünfte offenlegen, wenn Interessenverbindungen, also andere Tätigkeiten, das erforderlich machen. Wir wollen, dass diese Einkünfte und Tätigkeiten veröffentlicht werden, und wir wollen, dass, wenn das nicht geschieht, eine Rückzahlung der Entschädigung durch diese Sachverständige erfolgt.
Zum Zeitpunkt der Vorlage des Gesetzentwurfs im April war uns noch nicht klar, welche Aktualität er gewinnen würde. Fakt ist, dass der oberste Wirtschaftsberater der Bundesrepublik, Herr Rürup, jetzt, noch während er als Sachverständiger im Amt ist, bekannt gegeben hat, dass er demnächst zum Finanzberater AWD wechseln wird. AWD ist nicht irgendein Unternehmen. AWD macht 80 Prozent seines Umsatzes in Deutschland mit dem Verkauf von Vorsorgeprodukten für das Alter.
Herr Rürup hat der Regierung Kürzungen bei der gesetzlichen Rentenversicherung vorgeschlagen. Er hat Millionen Menschen dazu gebracht, ihr Geld in Hoffnung auf eine hohe Rendite auf die Finanzmärkte zu tragen. Seinen Namen tragen Altersvorsorgeprodukte. Die Aufzählung der Ämter, die er schon heute bei Finanzdienstleistern und Versicherungskonzernen innehat, füllt die Rückseiten von Einladungen zu Veranstaltungen mit ihm. Und jetzt wechselt Herr Rürup, pünktlich zu seiner eigenen Pensionierung, zu einem der Profiteure der Rentenprivatisierung. Fakt ist: Jemand, der die Bundesregierung, die Öffentlichkeit und das Parlament in einer bestimmten Weise beraten hat, wird nun Profiteur seiner eigenen Beratung, weil er in einem Unternehmen, das von dieser Politik profitiert, tätig wird. Dazu könnte man sagen: Das ist in der freien Marktwirtschaft üblich; dagegen kann man nichts machen - möglich.
Mit unserem Gesetzentwurf schlagen wir vor, dass zumindest die Interessenverbindungen bei Mitgliedern des Sachverständigenrates schon zum Zeitpunkt ihrer Tätigkeit offengelegt werden müssen, damit wir, die Bürger, das Parlament und auch die Regierung, wissen, woran wir sind, wenn wir „unabhängig“ beraten werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Im Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates ist die Neutralität des Sachverständigenrates festgeschrieben. Es heißt wörtlich: Der Sachverständigenrat ist nur an den durch dieses Gesetz begründeten Auftrag gebunden und in seiner Tätigkeit unabhängig.
Diese Neutralität wird durch Herrn Rürup mehr als nur infrage gestellt. Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf zur Wahrung der Neutralität beitragen. Das kostet nichts, das ist auch nicht populistisch. Es ist schlichtweg ein Gebot der Stunde, wenn wir auf bestimmte Vorgänge politisch reagieren wollen.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie winken ab. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Gerhard Schröder als Kanzler den Weg für die Ostsee-Pipeline geebnet hat und heute bei Gazprom im Aufsichtsrat sitzt. Wolfgang Clement hat die Leiharbeitsverhältnisse geradezu gefördert und leitet jetzt das Adecco-Institut zur Erforschung der Arbeit beim Adecco-Konzern, einem der größten Leiharbeitskonzerne Europas.
(Jörg van Essen (FDP): Was ist denn mit den Gewerkschaftsfunktionären? Warum vergessen Sie immer die Gewerkschafter?)
Auch Herr Riester, der bekanntlich die Riester-Rente eingeführt hat, verdient am meisten als Vortragsreisender für die Versicherungsbranche. Wenn wir das so lassen wollen und so dazu beitragen wollen, dass der Ruf der Politik weiter beschädigt wird, dann können wir so weitermachen.
(Hans-Michael Goldmann (FDP): Das stimmt doch gar nicht! Sie schädigen den Ruf!)
Wir können es aber auch ändern, indem wir ein Gesetz beschließen, nach dem diese Dinge offengelegt werden müssen. Dann würde so etwas deutlich.
Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
(Beifall bei der LINKEN)