Von der Postkutschenzeitalter- zur Internet-Zensur?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Jeder hat bisher mit einem Zitat geendet; ich fange mit einem Zitat an: „Nicht ungestraft ist man Journalist." Das schrieb 1893 der Theodor Herzl, damals einer der renommiertesten Zeitungskorrespondenten, aus Paris an seine Chefredaktion nach Wien. Er spielte damit auf die vielfältigen Sanktionen gegen inländische und ausländische Journalisten an, die in den europäischen Monarchien, aber auch in der Französischen Republik, die doch die Presse- und Meinungsfreiheit zu ihrem Fundament gemacht hatte, an der Tagesordnung waren.
„Nicht ungestraft ist man Journalist“, wenn man Journalist ist und nicht nur bunte Geschichten verkauft. Das galt damals, und das gilt heute. Denn die Presse- und Meinungsfreiheit, dieses hohe Gut, ist nicht den Mächtigen der Politik und der Wirtschaft ein für alle Mal abgerungen worden und damit für immer vorhanden, sondern sie muss praktisch jeden Tag und immer wieder aufs Neue erkämpft werden. Insofern ist heute ein exemplarischer Tag, an dem wir uns hier mit dem Thema „Pressefreiheit weltweit“ befassen und sich gleichzeitig unser Kontrollgremium mit der BND-Bespitzelung der Spiegeljournalistin Susanne Koelbl befasst.
Diktaturen kontrollieren brutal, Demokratien sublim - siehe auch jetzt und in Zukunft Berlusconis Italien. Da werden wir noch einiges zu beobachten haben. Insofern befasst sich der Antrag der Koalitionsfraktionen mit einem großen und wichtigen Thema. Die Diagnose der weltweiten Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit und der Verfolgung von Journalistinnen und Journalisten ist erschreckend. Naiv erscheint mir allerdings die Erkenntnis der Antragsteller, dass die Methoden der Medienzensur durch staatliche Organe nun auch das Internet erreicht hätten. Warum sollte ausgerechnet das World Wide Web ein Medium sein, das die politisch und wirtschaftlich Mächtigen nicht für ihre Zwecke, ihre Propaganda, ihre Lügen, ihre Manipulationen nutzen und unter Kontrolle bringen wollen?
(Beifall bei der LINKEN)
Jedes neue Medium wurde so in der Vergangenheit missbraucht: Zeitungen, Radio, Fernsehen. Wieso nicht gleichermaßen das Internet? Der Blogger von heute ist nichts anderes als der Verteiler von Handzetteln und Flugschriften aus dem 19. Jahrhundert.
Was aber sollen wir, können wir tun gegen die weltweite Zensur, die Einschränkung oder Nichtgewährung der Pressefreiheit und die Verfolgung derer, die journalistisch arbeiten? Neun Forderungen stellt der Antrag. Sie sind sehr pauschal und äußerst deklamatorisch. Die Bundesregierung soll sich „einsetzen“, in Gesprächen „darauf bestehen“ und „einfordern“. Aber ist damit etwas zu erreichen? Unter Punkt 7 wird die Bundesregierung aufgefordert, sich für die lückenlose Aufklärung von Überfällen und Morden an Journalisten in jenen Ländern einzusetzen, in denen eine innerstaatliche Strafverfolgung nicht gewährleistet ist ... Ich frage: Wie soll so etwas gehandhabt werden? Welchen politischen Wert in Bezug auf eine Realisierung besitzt eine solche Aussage?
Wir halten das Thema für zu gewichtig, um es im rein Appellativen zu belassen und es allein mit pauschalen Forderungen zu unterlegen. Aus diesem Grund werden wir im weiteren parlamentarischen Verfahren einen Änderungsantrag einbringen, in dem wir zusätzliche, konkrete Forderungen zum Schutz journalistischer Berichterstattung, gegen Zensur und für die Ausweitung der Presse- und Meinungsfreiheit formulieren wollen. Dazu soll auch vor der eigenen Haustür gekehrt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Beispiele sind sie sind schon erwähnt worden der Fall des Zeitungsmagazins Cicero, also die Untersuchungsverfahren gegen 17 Journalisten wegen angeblichem Geheimnisverrat, sowie darauf hinzuweisen, liegt uns sehr am Herzen die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung durch die Justizministerin, die eben keinen besonderen Schutz für die journalistische Berichterstattung vorsieht. Das muss sich aus unserer Sicht wirklich ändern.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn man sich diese Punkte ansieht, dann muss man sagen, dass es insgesamt gesehen keine besonders gute Reverenz für ein Land ist, das überall auf der Welt die Achtung der Pressefreiheit einfordert.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)