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Maritime Wirtschaft: Regierung blendet Realität aus

Rede von Lutz Heilmann,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine gute Nachricht vermeldeten gestern die Lübecker Nachrichten: Auch wenn die Umschlagszahlen im vierten Quartal 2008 um 20 Prozent eingebrochen sind, gibt es im Lübecker Hafen erst einmal keine Kurzarbeit.
Ganz anders sieht es bei der HDW-Werft in Kiel aus, die Kurzarbeit angemeldet hat. Das wurde notwendig, weil die Auftraggeber keine Finanzierungszusage von den Banken erhalten haben. Die Kieler Werft Lindenau meldete bereits Insolvenz an. Bei den Werften von ThyssenKrupp in Emden und Kiel wurde vor kurzem der Bau von vier Containerschiffen gestoppt. Der Grund war wiederum fehlende Finanzierungszusagen von Banken.

Die Wadan-Werften in Wismar und Rostock warten schon seit Monaten auf die versprochenen Aufträge ihrer neuen russischen Eigner. Seit September 2008 haben drei weitere norddeutsche Schiffbaubetriebe Insolvenz angemeldet: die Schichau Seebeckwerft in Bremerhaven, die Cassenswerft in Emden und die SMG-Werft in Rostock.

Reeder in Wedel erhalten keine Kredite, um den Bau von Schiffen zu Ende zu führen und gehen sprichwörtlich mit der Dose betteln. Das war letzte Woche Freitag im Schleswig-Holstein-Magazin zu sehen. Der Vorsitzende des Schiffbauverbandes sagte gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk: Serienschiffbau wird es in Deutschland mit Sicherheit nicht mehr geben. In den Häfen Hamburgs und Rostocks gibt es Kurzarbeit. Die Hamburger Hafen- und Lagergesellschaft rechnet mit einem schwierigen Jahr 2009.

Dies ist die Realität der letzten Wochen in weiten Teilen der maritimen Wirtschaft. Ich bin froh, dass auch von der Frau Staatssekretärin und meinen übrigen Vorrednern anerkannt wurde, dass wir eine Krise haben; denn Ihr Antrag lässt diese Erkenntnis vermissen. In Ihrem Antrag blenden Sie diese Realität aus.

(Hans-Michael Goldmann (FDP): Da haben Sie leider recht!)

In Ihrem Antrag findet sich gerade einmal in zwei Sätzen das Wort „Krise“, ansonsten nicht.

(Hans-Michael Goldmann (FDP): Ja, steht nichts drin!)

Im Bericht der Bundesregierung ist von einer zyklischen Wachstumsdelle die Rede. Von Krise will die Bundesregierung in diesem Bericht nichts wissen. Es ist eine Verhöhnung der betroffenen Arbeiterinnen und Arbeiter in den Werften, wenn Sie in Ihrem Bericht schreiben, ich zitiere:

„Die Bundesregierung hat auf die Herausforderungen der Finanzmarktkrise und ihre Auswirkungen auf die Gütermärkte schnell und entschlossen reagiert. Mit dem Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung wurde die Grundlage zur Stabilisierung des Bankensektors und zur Kreditversorgung der Wirtschaft geschaffen. „

Wo ist die HSH Nordbank, deren Kerngeschäft doch die Schiffsfinanzierung ist? Können Sie mir sagen, wie es sein kann, dass sich eine Bank, in die Sie gerade Milliarden versenkt haben, weigert, Werften und Reedern Finanzierungen zu gewähren? Sie vernebeln, Sie reden klein und lassen die Menschen im Regen stehen.

Erlauben Sie mir jetzt, ein paar Gedanken zu Ihrem Antrag zu äußern. Zum Abschnitt Schiffbau. Sie sprechen von Maßnahmen zur Schließung der Ingenieurlücke und zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses. Das kann ich unterschreiben. Berufe im Schiffbau werden stark nachgefragt, wie diese Woche auch die Lübecker Nachrichten wieder meldeten. Das alles sind zwar schön geschriebene Sätze. Aber was ist, wenn es keine Werften mehr gibt, in denen die Fachkräfte arbeiten können? Sie wollen prüfen, ob Schiffbauaufträge der Bundesministerien bzw. der Bundesbehörden zeitlich vorgezogen werden können. Auch hier könnte ich guten Gewissens zustimmen, wenn es sich dabei natürlich um zivile und nicht um militärische Schiffsneubauten handelt.

Zum Abschnitt „Hafenwirtschaft und Logistik“.

Die Koalition begrüßt den Entwurf eines nationalen Hafenkonzepts. Endlich, kann ich nur sagen. Jahrelang haben Sie uns vertröstet. Es gab immer wieder Ausreden. Aber schauen wir uns den Entwurf einfach einmal an: Was stellen wir fest? Nichts ist zu lesen von einer Kooperation der deutschen Seehäfen an der Nordrange, nichts von einer eindeutigen Bevorzugung der Bahn bei der Hinterlandanbindung. Die Beseitigung von sogenannten Infrastrukturhemmnissen wird zum Oberziel erklärt.

(Hans-Michael Goldmann (FDP): Ist doch gut!)

Umwelt- und Klimaschutz verkommen zu Lippenbekenntnissen.

(Hans-Michael Goldmann (FDP): Das stimmt doch nicht!)

Lassen Sie mich gleich zum Kapitel „Klima- und Umweltschutz“ kommen. Sie wollen Bemühungen unterstützen, Schiffsemissionen durch eine landseitige Stromversorgung in Häfen zu reduzieren. Frau Kollegin Wetzel, Sie haben das angesprochen; wir haben auf unserer Reise durch Schweden und Dänemark im letzten Jahr recht viel darüber diskutiert. Aber es reicht nicht, sozusagen einen Einheitsstecker für diese ganze Sache zu suchen. Es muss mehr her, zum Beispiel Sie haben es angesprochen die Befreiung von der Stromsteuer. Ich habe mehrmals nachgefragt: Das Finanzministerium hat mir immer wieder gesagt, ein entsprechender Antrag sei eingereicht. Es liege jetzt an der Europäischen Kommission. Ich bitte Sie: Tun Sie als Regierung etwas dafür! Ihr Umweltminister hat letztendlich ganz gut dafür gekämpft, dass die für Pkws zulässigen CO2-Werte hochgesetzt wurden und der Klimaschutz im Pkw-Verkehr ad absurdum geführt wurde. Ich bitte Sie also darum.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nächste Woche findet in Rostock die Sechste Nationale Maritime Konferenz statt. Eine Menge Reden und Workshops stehen auf dem Programm. Sogar ein Workshop zum Umweltschutz ist vorgesehen. Bedauerlicherweise darf der Parlamentarische Staatssekretär des Umweltministers seine Gedanken und Anregungen erst am Ende der Konferenz kundtun. Ich hätte es, wenn wir schon von nachhaltiger Entwicklung und nachhaltiger Politik sprechen, für gut empfunden, wenn der Umweltstaatssekretär die Möglichkeit gehabt hätte, am Anfang der Konferenz über Klimaschutz usw. in der maritimen Wirtschaft zu sprechen,

(Ingbert Liebing (CDU/CSU): Das sind Ihre Prioritäten! Die Tagesordnung!)

damit seine Anregungen dann in die Workshops einfließen können. Ich halte es nicht für richtig, dass er am Ende der Veranstaltung als eine Art Feigenblatt auch noch ein paar Worte sagen darf. Ich vermisse konkrete Workshops dazu ich war erstaunt, dass auch die Bundesregierung anerkennt, dass wir eine Krise haben; ich habe schon darauf hingewiesen , wie wir aus der Krise herauskommen wollen. Schaue ich mir die Tagesordnung an, so stelle ich fest, dass es dazu nichts gibt. Soll das wieder in den Anfangsreden hübsch dargestellt werden, und dann wird es so gemacht, wie Sie sich das vorstellen? Das ist nicht der richtige Weg. Auch hier zeigt sich klipp und klar, dass Sie die Krise völlig ausblenden, nach dem Motto: Was nicht sein darf, kann auch nicht sein.

Zum Schluss möchte ich festhalten: Die Regierung wird ihrer Verantwortung nicht gerecht. Der uns vorliegende Antrag blendet die Realität der Krise aus. Gleiches gilt für den vorgelegten Bericht. Sie vernebeln, Sie reden klein, und Sie lassen die Menschen im Regen stehen. Die Linke fordert einen Schutzschirm für die Menschen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)