Rede zur Plenarsitzung am 19. März - Tagesordnungspunkt 5 - verschiedene Anträge von Fraktionen zur Atompolitik der Bundesregierung
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,Wenn die Dinge schlecht laufen, werden wir im Herbst eine Regierung haben, die den Atomausstieg zurücknehmen will. Wie das dann läuft, haben wir gerade erfahren. Im Übrigen: Wer brüllt, hat nicht immer recht.
(Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Ausschließen kann man es auch nicht!)
Leider könnte dann Schwarz-Gelb die Früchte einer Taktik ernten, die darin bestand, das Abschalten von AKWs in dieser Legislaturperiode zu verhindern. Obwohl der sogenannte Atomkompromiss unter Rot-Grün bereits 2000 beschlossen wurde, gingen seitdem gerade einmal zwei AKWs vom Netz, unter der jetzigen Koalition kein einziges.
Der Begriff Atomausstieg verbietet sich eigentlich; denn durch ewig lange Stillstandszeiten und andere Tricksereien wurde ermöglicht, Restlaufzeiten zu bunkern und die Abschaltung in die nächste Wahlperiode zu verschleppen natürlich in der Hoffnung, unter einer anderen Regierung den Ausstieg endlich zu kippen. Dies haben wir heute bis zum Erbrechen gehört.
Es bewahrheitet sich die damalige Prognose der Linken: Die garantierten Restlaufzeiten sind nicht nur eine Verstromungsgarantie für AKW-Betreiber, die sie vorher nie hatten, sondern sie verhindern auch, dass der Ausstieg unumkehrbar wird. Wir aber wollen einen unumkehrbaren Ausstieg.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Seit Monaten hören wir nun ein Trommelfeuer der Stromkonzerne, Union und Liberalen, sekundiert von RWE-U-Booten bei der Deutschen Energie-Agentur. Es wird behauptet, wir bräuchten in Deutschland neue Atom- und Kohlekraftwerke sowie längere Laufzeiten, da es bald eine Stromlücke geben werde. Das ist falsch. Ich wiederhole: Deutschland hat keine Strom-, sondern eine Handlungslücke.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Hier nützt auch die Imagekampagne der Energiekonzerne nichts, die explizit für Frauen Überzeugungsarbeit leisten soll. Frauen sind nicht so dumm; sie wissen, was Zukunftsfähigkeit heißt.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Gerade in der letzten Woche wurde auf dem Jahreskongress der Erneuerbaren Energien die Ausbauprognose bis 2020 bekanntgegeben. Stimmen die politischen Rahmenbedingungen, so ist bis dahin mit einem Ökostromanteil von 47 Prozent zu rechnen. Anfang der 90er-Jahre war noch allgemeine Lehrmeinung, dass es niemals mehr als 4 Prozent erneuerbare Energien im Netz geben werde. Seitdem sind regelmäßig alle Prognosen übertroffen worden, nicht nur die der Bundesregierung und der Wissenschaft, sondern auch die der Erneuerbaren-Branche selbst.
Interessanterweise hat die jetzige Prognose den Stromverbrauch vorsichtshalber fast konstant gelassen. Dies ist angesichts der fehlenden politischen Impulse zur Senkung des Energieverbrauchs man könnte auch sagen: angesichts der Blockade kein Wunder.
Das Energieeffizienzgesetz Sie wissen, wovon ich spreche; wir streiten im Umweltausschuss gerade darüber ist längst überfällig und wird vom neuen Wirtschaftsminister torpediert. Erstaunlich ist aber, dass das CCS-Gesetz, das jetzt auch als Kohleverstromungsgarantiegesetz bekannt ist, innerhalb von wenigen Monaten nach Erlass der EU-Richtlinie ins Kabinett kommt. In der nächsten Woche soll dies so weit sein.
Die Milliarden für die riskante Technik stehen auch schon bereit, obwohl es gesellschaftlich und wissenschaftlich höchst umstritten sein dürfte, ob es sinnvoll ist, Milliarden an Tonnen Kohlendioxid unter die Erde zu pressen.
Das Energieeffizienzgesetz hingegen, das nach EU-Recht schon seit fast einem Jahr umgesetzt sein sollte, liegt immer noch auf Eis. Man hat gelegentlich den Eindruck, als sei die Koalition auf der Suche nach einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung: bloß keine wirklichen Fortschritte beim Energiesparen, damit das Märchen von der Stromlücke Wahrheit werden kann.
Für interessant halte ich die Aussage von Minister Gabriel im Spiegel, mit einer Großen Koalition sei eine stimmige Energie- und Umweltpolitik nicht zu machen. Wahre Worte!
(Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da hat er recht! Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE): Wo er recht hat, hat er recht!)
Meine Frage ist jetzt, ob es mit einer Ampel funktioniert. Angesichts der heutigen Reden wage ich dies zu bezweifeln.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Union will nun tatsächlich mit der Legende in den Wahlkampf ziehen, Atomstrom senke die Strompreise. Man glaubt offenbar, dass Eon und Co. die Preise jemals unter den Großhandelspreis senken würden. Warum sollten sie das tun? Atomstrom ist in der Herstellung gegenwärtig vielleicht noch preiswert, auch weil die Risiken und Nachfolgekosten nicht eingepreist sind. Die Konzerne brauchen auch keine Versicherungsprämien zu bezahlen, weil keine Versicherung sie annimmt. Sie verkaufen den Atomstrom zum Großhandelspreis an der Börse. Das heißt natürlich, dass die Preise nicht sinken. Deshalb sind Atomkraftwerke übrigens auch Braunkohlekraftwerke Gelddruckmaschinen.
Jeder Tag Laufzeitverlängerung bringt den AKW-Betreibern rund 1 Million Euro Profit.
Diese Zahl wurde schon genannt. Ich denke, das müssen wir den Wählerinnen und Wählern noch viel öfter sagen. So viel zum Thema soziale Preise, von denen Sie, Frau Brunkhorst, reden.
Ich wiederhole: 1 Million Euro Profit pro Tag. Um diesen Profit abzukassieren, wäre vielleicht die Brennelementesteuer geeignet, die Herr Minister Gabriel schon seit Monaten plant, die er aber leider nicht durchsetzen kann. Ich habe schon in den Haushaltsberatungen gesagt, dass wir eine Brennelementesteuer unterstützen. Das wäre der einzige Weg, irgendwie an die absurd hohen Gewinne heranzukommen, die den AKW-Betreibern aus dem Emissionshandel zusätzlich zufließen; denn durch die Zertifikatekosten steigt der Großhandelspreis noch ein Stück an. Ich meine, in dieser Beziehung muss wesentlich mehr getan werden.
Zum Schluss kann ich sagen: Wer wie die Union die Laufzeiten der Kernkraftwerke um weitere 30 Jahre verlängern will, ist ein verantwortungsloser Lakai der Atomverstromer;
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
denn das bedeutet nicht nur 30 Jahre mehr Risiko und zusätzliche Berge von Atommüll, sondern das bedeutet auch 30 Jahre mehr Extraprofite in Milliardenhöhe aus dem Zertifikatehandel. Dann wird es nichts mit sozialen Preisen. Da geht es nur noch um die Gewinne der Konzerne. Vielleicht verspekulieren sie dieses Geld, und dann müssen wir ihnen Zuschüsse geben wie jetzt vielen anderen.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))