Rede von Hüseyin Aydin im Plenum des Deutschen Bundestages am 1. Februar 2007 zur Entwicklungspolitik Bezug nehmend auf den Antrag der Regierungsfraktionen „Die deutsche G8- und EU-Präsidentschaft - neue Impulse für die Entwicklungspolitik“ (Ds 16/ …)
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unsoziale Politik der Bundesregierung ist unpopulär. Der Außenminister steht auf der Kippe. Da kommt die aktuelle G-8-Präsidentschaft gerade recht, um sich wenigstens auf internationalem Parkett als Speerspitze der Armutsbekämpfung darzustellen.(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Das war ein toller Einstieg!)
Auf dem G-8-Gipfel vor zwei Jahren wurde den 18 höchstverschuldeten Ländern ein Teilerlass ihrer Schulden versprochen. Geschehen ist aber so gut wie nichts. Nach Angaben der Weltbank flossen 2004 über 333 Milliarden US-Dollar an Kreditrückzahlungen aus dem Süden in den Norden. Das war mehr als viermal so viel wie die kombinierte Entwicklungshilfe aller Industriestaaten zusammen.
Ich betone: Die eigentlichen Kredite sind längst zurückgezahlt worden. Doch die armen Länder stöhnen weiter unter der Last der Zinsen. Bei Geld hört die Freundschaft auf. Ich sage Ihnen: Auch von Heiligendamm ist nichts zu erwarten.
(Zuruf von der SPD: Ach ja!)
Die so genannte Entschuldungsinitiative der G 8 ist nichts als eine große Augenwischerei.
(Beifall bei der LINKEN)
Das erklärt, warum Deutschland effektiv weniger als je zuvor in die Entwicklungszusammenarbeit steckt.
Frau Merkel, ich muss heute in der Zeitung lesen, dass Sie darüber nachdenken, auch noch Militäreinsätze wie im Kongo aus dem Topf der Entwicklungshilfe zu zahlen. Während das Geld für Gesundheit und Bildung fehlt, erklären Sie dreist, Deutschland würde die Millenniumsziele erreichen. Der vorliegende Antrag der Regierungsparteien reiht sich nahtlos in diese Beschönigungspolitik ein. Sie wollen uns tatsächlich weismachen, dass die G 8 sich „zu einer wichtigen Institution des internationalen Entwicklungsdialogs entwickelt“ haben.
(Jörg Tauss (SPD): Das ist doch gut!)
Wie dieser Dialog aussah, ist hinlänglich bekannt: Die Staaten der G 8 dominieren die multilateralen Finanzinstitutionen IWF und Weltbank. Sie haben diesen Einfluss genutzt, um die armen Länder zu erpressen. Im Zuge der sogenannten Strukturanpassungsprogramme der 80er- und 90er-Jahre wurden afrikanische Staaten gezwungen, öffentliche Unternehmen zu privatisieren. Heute wird diese Politik unter dem zynischen Namen Armutsreduzierung fortgesetzt. Doch arm bleibt arm.
Davon konnte ich mir in der letzten Woche aus Anlass des Weltsozialforums in Kenia ein Bild machen. Mithilfe der korrupten Regierungen Moi und nun auch Kibaki konnte sich das internationale Kapital profitträchtige Unternehmen wie die staatliche Fluglinie unter den Nagel reißen. Die Kehrseite ist: Der Verkauf von staatlichen Betrieben hat in den letzten zehn Jahren 80 000 Arbeitsplätze gekostet. Die Armut nimmt zu; die Slums wachsen. Die Aidsraten steigen rapide in die Höhe. In einem Elendsviertel von Nairobi leben 500 000 Kinder zwischen sechs und 15 Jahren. Doch dort gibt es nur vier Schulen. UN-Generalsekretär Ban hat gestern diesen Slum besucht und seine Betroffenheit erklärt. Doch die Menschen brauchen keine Worte, sondern Taten.
(Beifall bei der LINKEN)
Außer Frage steht: Die deutsche Entwicklungshilfe leistet in Kenia gute Arbeit. Doch leider wird die engagierte Arbeit der Entwicklungshelfer durch die aggressive Marktöffnungspolitik der G 8 völlig konterkariert. Die Bundesregierung ist daran aktiv beteiligt. Derzeit wird aus Mitteln deutscher Entwicklungszusammenarbeit die Wasserversorgung in Kenia aufgebaut, um sie später an profitorientierte Unternehmen zu veräußern. Wozu das geführt hat, kann man sich im Nachbarland Tansania anschauen.
(Birgit Homburger (FDP): Geht es nicht auch ein bisschen leiser?)
Die Regierungsparteien versprechen in ihrem Antrag neue Impulse für die Entwicklungspolitik. Doch all das, was sie uns vorsetzen, ist der gleiche alte neoliberale Quark. Die Linke sagt Nein zu einer Politik, die nur den Konzernen auf der Welt nutzt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)