Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hempelmann, Sie haben eben über die Komplexität der Meinungen gesprochen. Das finde ich sehr gut. Ich empfehle Ihnen einmal, in der „Frankfurter Rundschau“ den Artikel von Staatssekretär Werner Müller
(Rolf Hempelmann (SPD): Staatssekretär Werner Müller! Auch nicht schlecht!)
- Michael Müller, Entschuldigung ‑, erschienen am 1. März dieses Jahres, zu lesen. Dort werden Sie die Komplexität der Meinungen wiederfinden.
Zu unserem Antrag. Den Antrag „Die zukünftige Energieversorgung sozial und ökologisch gestalten“ haben wir vor einem Jahr gestellt; das ist eben angesprochen worden. Ich sage: Er ist so aktuell wie nie zuvor. Das liegt nach wie vor an der zunehmenden Brisanz der Energiepolitik und insbesondere an der Untätigkeit der Regierung. Dass wir recht haben, zeigt nichts besser als der Antrag selbst. Schon beim Emissionshandel und bei den Biokraftstoffen ist der Regierung Merkel die Realität um die Ohren geflogen. Der faule Kompromiss beim Gebäudeenergiepass führt dazu, dass erst 2018 mit wirksamen Energieeinsparungen zu rechnen ist. In Sachen Energie und Klimaschutz fällt die Große Koalition im Rahmen der Ratspräsidentschaft nur durch Zurückrudern auf.
Ich möchte aber auf ein viel größeres Problem eingehen. Die Bundesregierung ist dabei, eine klimafreundliche und soziale Energiepolitik an den Nagel zu hängen. Am Mittwoch versprachen die Regierungsvertreter im Umweltausschuss, man sei bezüglich der Senkung der Klimagasemissionen um bis zu 40 Prozent im Gespräch. Aber im Gespräch ist die Große Koalition auch bei der Atomfrage.
Ihr Versagen beim Klimaschutz wird deutlich, wenn man sich die aktuelle Entwicklung in der Energiewirtschaft ansieht. Fossile Kraftwerke in einem Umfang von 60 000 Megawatt sind geplant, allein Steinkohlekraftwerke in einem Umfang von 40 000 Megawatt. Es sind also weit mehr Kohleblöcke geplant, als zurzeit in Betrieb sind. Die meisten der vorgesehenen CO2-Schleudern sollen bis zum Jahr 2012 laufen. Sie sind mit herkömmlicher Technik ausgerüstet und für die CO2-Abspaltung nicht geeignet. Kollege Schwabe von der SPD ‑ er ist leider nicht da ‑ hat gestern in der „Frankfurter Rundschau“ gefordert, ab 2015 solle es nur noch CO2-freie Kraftwerke geben. Das ist eindeutig zu spät, liebe Sozialdemokraten.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn die Bundesregierung jetzt nicht massiv in die Kraftwerksplanung eingreift, dann steigt der Klimagasausstoß in Deutschland in fünf Jahren über das Niveau von 1990.
Mir wird damit auch klar, weshalb sich das Bundeswirtschaftsministerium beharrlich weigert, das Parlament über geplante Kraftwerke zu informieren. Sehr geehrte Herren Glos und Gabriel, die unbequeme Wahrheit lautet: Ab 2008 dürfen keine neuen Kohleblöcke mehr genehmigt werden; ansonsten kommen wir in Teufels Klimaküche. Wir werden das in Kürze in einer Studie nachweisen.
Aber die Energiekonzerne machen derweil mit fossil-atomaren Steinzeitkraftwerken Kasse. Zentralistische Großkraftwerke sichern ihr Energiemonopol. Aus dieser Position drehen sie nach Belieben an der Preisschraube. Sie verhindern gleichzeitig die Dezentralisierung der Energieversorgung, und sie behindern den Netzzugang erneuerbarer Energien. Das ist Klimafrevel hoch zwei.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Zeche zahlen die Verbraucherinnen und Verbraucher mit überhöhten Strom- und Gasrechnungen. Deshalb ist eine wirksame Überwachung der Energiepreise, wie sie die Linke mit dem Antrag „Energiepreiskontrolle sicherstellen“ fordert, unverzichtbar.
(Beifall bei der LINKEN)
Strom- und Gasrechnungen nach Gutsherrenart können wir uns nicht leisten.
Industrieminister Gabriel kommt derweil Klimaignoranten wie Audi zu Hilfe. Durch den Zwang der Beimischung klimaneutraler Biokraftstoffe zum fossilen Sprit soll der CO2-Ausstoß der Spritfresser heruntergerechnet werden. Die Pioniere der Bioenergie hat Gabriel aber wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. Zum Stopfen von Steinbrücks Steuerkassen werden Biodiesellandwirte abgezockt, bis sie pleite sind.
Gestern habe ich mir einen solchen Biodieselbetrieb angesehen. Der Ökosprit wurde dort, integriert in den landwirtschaftlichen Betrieb, für den Eigenverbrauch und den regionalen Bedarf hergestellt. Die Wertschöpfung fand also vor Ort statt ‑ bisher. Jetzt hat der Betrieb die Biodieselproduktion eingestellt. An der Anlage, die nur drei Jahre lief, hängt ein Schild: Gefördert durch die EU, das Land Sachsen-Anhalt und die Agentur für Arbeit. Die Fördermittel sind futsch, und der Insolvenzverwalter kommt. 15 000 Stellen sind durch die Biospritsteuer schon verloren gegangen. So macht man keine soziale und ökologische Energiepolitik.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich komme nun zum Schluss. Die Linke fordert die Bundesregierung auf, Fehler in der Energiepolitik rückgängig zu machen: erstens, raus aus der fossil-atomaren Energiewirtschaft; zweitens, mehr erneuerbare Energien, mehr Energieeffizienz und mehr Energieeinsparung; drittens, dem Energiekartell wirksam auf die Finger klopfen; viertens, Klimaschutz ernst nehmen statt lose Versprechungen machen.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)

Energiepolitik sozial und ökologisch gestalten
Rede
von
Hans-Kurt Hill,