Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte meine erste Rede gerne mit etwas Positivem beginnen: Es ist aus unserer Sicht ein Fortschritt, dass erstmalig im Jahreswirtschaftsbericht die soziale Ungleichheit skizziert wird. Allerdings – und das ist mein Thema –: Das muss auch Folgen haben für die Politik der Regierung.
(Beifall bei der LINKEN)
Worum geht es? Wenn Sie in Gelsenkirchen auf einem Spielplatz drei Kinder sehen, dann wächst statistisch eines davon in Armut auf. Gleichzeitig besitzen 45 Familien in diesem Land so viel Vermögen wie die Hälfte der Bevölkerung. Diese ungerechten Verhältnisse sind auch das Ergebnis der Politik in diesem Hohen Hause. SPD, Grüne, FDP und Union haben in wechselnden Regierungskonstellationen diese Verhältnisse in Gesetze gegossen. Wenn wir in diesen Tagen viel über die Spaltung der Gesellschaft sprechen, dann dürfen wir nicht vergessen: Die Gesellschaft wurde durch eine sozial ungerechte Politik bereits vor der Pandemie gespalten, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen darf grüne Wirtschaftspolitik sich nicht nur fragen: Warum sind die Märkte nervös? Sie muss sich vor allen Dingen fragen: Warum sind die Menschen nervös?
(Beifall bei der LINKEN – Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Genau!)
Und die Menschen sind nervös angesichts der – notwendigen – Transformation und angesichts von Preisen, die durch die Decke gehen: 18 Prozent mehr für Energie, 6 Prozent mehr für Lebensmittel, 41 Prozent mehr für Heizöl. Wenn dann der grüne Landwirtschaftsminister auch noch höhere Lebensmittelpreise einfordert, ohne zu erklären, wie Menschen mit niedrigem Einkommen das stemmen sollen, dann kommt bei vielen nur an: Wenn sie kein Geld für Brot haben, dann sollen sie doch Biodinkelbrötchen kaufen. – Deswegen sage ich Ihnen: Ökologische Nachhaltigkeit muss sozial nachhaltig sein, sonst ist sie nicht politisch nachhaltig, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber nicht nur die Einkommen halten mit den Ausgaben nicht mit. Auch die Kosten für die Transformation sind enorm. Laut einer Studie im Auftrag der KfW betragen sie rund 100 Milliarden Euro pro Jahr; auch die Grünen haben kürzlich noch mit mindestens 50 Milliarden Euro pro Jahr gerechnet.
Die Ironie ist doch: Nicht nur die Menschen können sich grüne Wirtschaftspolitik nicht leisten. Nein, auch der grüne Wirtschaftsminister kann sich grüne Wirtschaftspolitik nicht leisten, wenn man sich das „Rumgeampel“ um den Nachtragshaushalt gestern ansieht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Deswegen sagen wir: Erstens. Lassen Sie die Finger von der schwarzen Null! Sie gefährdet die grüne Null. Zweitens. Besteuern Sie große Vermögen endlich gerecht! Warum? Allein der Besitzer von Lidl ist nur in der Krise um 25 Milliarden Euro reicher geworden.
(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Unglaublich!)
Zum Vergleich: Eine Kassiererin müsste für diese Summe rund 847 000 Jahre arbeiten. Sie hätte anfangen müssen, zu arbeiten, bevor es den modernen Menschen überhaupt gab. Wie zum Teufel wollen Sie den Menschen da draußen diese Ungerechtigkeit eigentlich noch erklären?
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Sebastian Roloff [SPD])
Besteuern Sie diese großen Vermögen endlich gerecht! Warum? Das möchte ich an einem Beispiel aus meinem Wahlkreis erläutern. In Duisburg wackelt die Stahlindustrie. 17 000 Kernarbeitsplätze und Zehntausende weitere Arbeitsplätze sind gefährdet in einer Region, die sowieso schon von Armut betroffen ist. Hier muss Geld fließen, viel Geld, um die Produktion auf CO2-freien Stahl umzustellen.
(Beifall bei der LINKEN)
Deswegen sagen wir: Erstens. Die Regierung muss endlich handeln. Geredet wurde zu lange. Die Kolleginnen und Kollegen vor Ort warten auf Entscheidungen. Zweitens. Öffentliches Geld muss fließen. Aber wenn öffentliches Geld fließt, dann muss das auch zu öffentlichem Eigentum führen.
(Beifall bei der LINKEN)
Das ist gerecht, das ist demokratisch, und das ist im Übrigen auch nachhaltig; denn es waren nicht zuletzt die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse, die in die Klimakrise geführt haben, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Deswegen – letzter Satz –: Die Transformation in der Wirtschaftspolitik muss aus der Perspektive der Menschen mit niedrigen Einkommen gedacht werden, damit sie nachhaltig sein kann.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)