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Der Markt wird das Klima nicht retten

Rede von Herbert Schui,

Das Europäische Parlament will eine Grundlage dafür schaffen, dass energieverbrauchsrelevante Produkte ökologischen Mindestanforderungen genügen müssen, zum Beispiel Glühlampen. Die FDP sieht dadurch alles bedroht, was ihr lieb und teuer ist, nämlich - Zitat - „Freiheit, Lebensqualität und Wohlstand“ sowie „Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft.“

Nun gibt die FDP in ihrer Antragsbegründung zu, dass staatliche Vorschriften geboten sein können, wenn von Produkt oder Produktion eine schädliche Wirkung ausgehen kann. Sie stellt dann jedoch klar, dass der bloße Verbrauch von Ressourcen für sie noch kein Schaden ist.

Allerdings gibt auch die FDP zu: Mit den Ressourcen muss sparsam umgegangen werden. Dies soll - wie kann es bei einem Antrag der FDP anders sein - über den Marktmechanismus, als Ergebnis privater Entscheidungen, sichergestellt werden. Die FDP nennt dafür zwei Bedingungen. Erstens müssen die Preise vom Staat so korrigiert werden, dass sie die Umweltschäden berücksichtigen. Zweitens müssen die Produkte eindeutig und informativ gekennzeichnet werden, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, was sie kaufen.

Man kann sich leicht klarmachen, dass diese Bedingungen nicht erfüllt werden können. Es spricht zwar nichts dagegen, die Kennzeichnungspflicht für Produkte auszuweiten. Es ist jedoch nicht möglich, alle wesentlichen Informationen über Schadstoffe, Energieverbrauch, Arbeitsbedingungen usw. bei Produkt, Produktionsverfahren, Zulieferern und Zuliefern von Zulieferern durch Kennzeichnung transparent zu machen.

Unmöglich ist es auch, den gesellschaftlichen Schaden exakt zu beziffern und einzupreisen. Zunächst können nicht alle Schäden sinnvoll in Geldeinheiten ausgedrückt werden. Zweitens treten viele Schäden weit in der Zukunft ein und können nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden. Drittens wirken die Schadstoffe nicht isoliert, sondern in Kombination. Es ist daher nicht möglich, den Schaden eindeutig einzelnen Produkten zuzuordnen. Wie viel Schaden eine Tonne Kohlendioxid in der Atmosphäre verursacht, hängt davon ab, wie viel Kohlendioxid insgesamt emittiert wurde.

Aber sehen wir von diesen Problemen ab und nehmen für einen Augenblick an, die FDP würde es ernst meinen. Sie müsste dann fordern, dass die ökologischen Kosten über eine Steuer auf den Produktpreis aufgeschlagen werden. Da sich aber die FDP als Steuersenkungspartei versteht, kann sie die Frage so nicht anpacken. Deshalb die vage Formulierung, die Preise müssten durch hoheitlichen Eingriff korrigiert werden.

Überschlagen wir die Größenordnung. Der allseits anerkannte Ökonom Nicolas Stern hat bekanntermaßen die Kosten des Klimawandels auf 5 bis 20 Prozent des Weltbruttoinlandsproduktes geschätzt. Nehmen wir an, der Preismechanismus wirkt, wie dies die Parteigänger dieses Steuerungsinstruments erwarten, und der Schaden bleibt bei dem niedrigen Wert von 5 Prozent. Sehen wir auch davon ab, dass Industrieländer wie Deutschland überdurchschnittlich zur bisherigen weltweiten Umweltzerstörung beigetragen haben. Dann müsste die FDP also die Einführung einer Ökosteuer in einem Volumen von 5 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes, also in Höhe von 125 Milliarden Euro fordern. Das entspricht in etwa einer Verdopplung der Mehrwertsteuer.

Sicherlich fordert die FDP in ihrem Antrag keine konkreten Schritte in Richtung auf eine solche Ökosteuer. Er enthält auch keine konkreten Vorschläge zur umfangreichen Kennzeichnung von Produkten. Die FDP will diese Ansätze gar nicht ernsthaft verfolgen. Sie will nur die bescheidenen Schritte in Richtung einer verpflichtenden ökologischen Produktgestaltung verhindern.

Deshalb endet der Antrag auch mit der Feststellung, dass die Unternehmen ja schon seit langem auf freiwilliger Basis Umweltmanagementsysteme anwenden und Verbraucher informieren. Im Prinzip soll es also weitergehen wie bisher.

Es dürfte klar sein, dass so der Klimawandel nicht aufgehalten werden kann. Dafür bietet die FDP zwar keine Lösung, aber einen Schuldigen. Verantwortlich für Umweltschutz sind für sie letztlich nicht die Unternehmen oder die Politik, die sie gewähren lässt, sondern die Verbraucher.