Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem Antrag der AbgeordnetenOliver Krischer, Dr. Valerie Wilms, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENSchlechte Treibhausgasbilanz von Kraftstoffen aus Teersanden bei der Umsetzung der Kraftstoffqualitätsrichtlinie berücksichtigen > Drucksachen 17/7956, 17/8759
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Ölpreis hat in den letzten Monaten wieder angezogen, er liegt gegenwärtig über 100 Dollar je Barrel. Das hat verschiedene Ursachen. Eine davon ist sicher, dass Öl schlicht knapper wird. Der Aufwand zur Förderung steigt - und meist auch die damit verbundenen negativen sozialen und Umweltfolgen.
Weil der Peak Öl seine Schatten voraus wirft, wird nun die Gewinnung von Öl und Bitumen aus Teersanden oder Ölschiefer rentabel. Allerdings nur eng betriebswirtschaftlich. Denn die daraus gewonnenen Kraftstoffe haben am Ende eine bis zu dreifach schlechtere CO2-Bilanz. Das Bitumen muss schließlich mit heißem Dampf vom Sand getrennt und zu Ölprodukten aufbereitet werden.
Das Ganze ist eine ziemliche Sauerei, von den sonstigen Folgen für die natürliche Umwelt im Fördergebiet ganz zu schweigen. Denn es werden dafür im kanadischen Bundesstaat Alberta und anderswo riesige Wald- und Moorflächen vernichtet. Zudem werden Unmengen Wasser und Gas für die Förderung benötigt.
Mit den gigantischen Teersandvorkommen sollen die Grenzen des Wachstums beim Verbrauch von Öl herausgeschoben werden. Wie wir sehen, geht dies nicht zum Nulltarif. Und wenn wir ehrlich sind, beißt sich die Katze sogar in den Schwanz. Nicht nur ökologisch, sondern auch sozial. Denn wenn wir das kohlenstoffbasierte Energiesystem noch künstlich verlängern, ja sogar mit zentralistischen Technologien die CO2-Intensität im Verkehr noch erhöhen, ist der Klimakollaps nicht mehr zu verhindern. Das wiederum wird Hunger, Vertreibung und sonstige Konflikte anheizen.
Interessant ist, dass sich kürzlich ausgerechnet Kanada aus dem Kyoto-Vertrag verabschiedet hat. Das Land sollte seine Emissionen eigentlich um 6 Prozent mindern, stößt aber ein Fünftel mehr aus als 1990. Das liegt auch an der Ausbeutung der Ölsande, die, wie gesagt, eine verheerende Treibhausbilanz hat.
Diese Bilanz muss nun auch bei der Umsetzung der EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie der EU berücksichtigt werden. Darum unterstützt die LINKE an dieser Stelle den Entwurf der EU-Kommission zur Konkretisierung des Artikels 7a, welcher eine nach Rohstoffen differenzierte Berechnung der Treibhausgasemissionen der Kraftstoffe vorsieht. Wer Treibstoff auf Grundlage kanadischer Ölsande anbietet, muss die vorgesehenen CO2-Minderungsvorgaben schwerer erfüllen können, als beim Angebot von Treibstoffen aus konventioneller Förderung. Das gebietet das Verursacher-Prinzip.
Wir stimmen darum auch dem Antrag der Grünen zu, der die Bundesregierung aufgefordert hat, sich dagegen zu wenden, dass dieses Anliegen der EU-Kommission von Mitgliedsländern oder Lobbyorganisationen blockiert wird.
Leider hat der Antrag bislang nicht viel genützt, obwohl sich ursprünglich alle Parteien im Umweltausschuss zumindest für den Inhalt ausgesprochen hatten. Denn der zuständige Expertenausschuss der EU-Länder votierte vor einer Woche weder für noch gegen den Vorschlag der EU-Kommission, der die Kraftstoffe als klimaschädlich einstuft. Das lag auch daran, dass Deutschland sich dort enthalten hat.
Ich finde diese deutsche Enthaltung feige und unaufrichtig! Und ich frage mich, wie Deutschland jene nachhaltige Rohstoffpolitik betreiben will, die ja erst gestern hier im Parlament beschworen wurde? Wie etwa ist die Idee von Rohstoffpartnerschaften aus Sicht der nachhaltigen Entwicklung zu verstehen, wenn Deutschland und Europa es sogar im Falle eines potenten Industrielandes wie Kanada, ablehnen, Vorschriften zu erlassen, die extreme Umweltbelastungen beim Import von Rohstoffen berücksichtigen?
Auch wenn heute die Koalition den Antrag der Grünen ablehnen wird, es gibt noch eine Chance zur Besinnung. Denn die EU-Umweltminister müssen sich erneut mit dem Kommissionsvorschlag befassen. Und darum appelliere ich an Norbert Röttgen: Setzen sie sich in Brüssel für eine nach Rohstoffen differenzierte Berechnung der Emissionen ein. Der Dreck soll am besten bleiben, wo er ist: unter der Erde.