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21 Jahre nach Tschernobyl - Energiepolitik im Bundestag

Rede von Hans-Kurt Hill,

Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste im Hause! Heute, am 26. April 2007, 21 Jahre nach der schrecklichen Katastrophe von Tschernobyl, hat die Atomenergie ihre Gefährlichkeit nicht verloren. Noch immer ist die friedliche Nutzung der Strahlentechnik die Einstiegsdroge in militärische Drohgerüste. Noch immer reiht sich in den europäischen Atomanlagen Störfall an Störfall.

Die vier Störfallmeiler in Cattenom an der saarländisch-französischen Grenze müssen genauso vom Netz wie der schwedische Block in Forsmark. In Forsmark ‑ wir haben es eben gehört ‑ war es nur dem Zufall geschuldet, dass ein GAU wie in Tschernobyl verhindert wurde. In Finnland entwickelt sich der Neubau eines Atomblocks schon beim Rohbau zum Desaster. Technische Mängel summieren sich zu gefährlichen Risiken, und die Kosten explodieren in absurde Höhen.

Zurück nach Deutschland. Hier sieht die Situation auch nicht besser aus. Die Hauptenergie wird in die Vertuschung und Verschleierung von Störfällen gesteckt. Warum legt der Betreiber Vattenfall die mehrere hundert Punkte umfassende Mängelliste des Atomkraftwerks Brunsbüttel nicht offen? Herr Mißfelder, ich behaupte: Vattenfall fürchtet bei diesem Kraftwerk Konsequenzen in Bezug auf die Restlaufzeit und die möglichen Laufzeitübertragungen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zur Endlagerdiskussion. Der Bundeswirtschaftsminister legte im April eine Untersuchung zu Bodenschichten vor. Ein solches Endlager ist nach einer Stellungnahme des Bundesamtes für Strahlenschutz zur Verwahrung von Brennstäben überhaupt nicht geeignet. Hauptsache, die möglichen Standorte liegen nicht in Bayern.

In der Anreicherungsanlage im westfälischen Gronau wird derweil mittels Zentrifugen, ähnlich wie in der umstrittenen iranischen Anlage Natans, Uran angereichert. Mit Genehmigung der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen wird die Kapazität zurzeit von 1 800 auf 4 500 Tonnen pro Jahr erweitert. Das reicht für 35 Atomkraftwerke. Was geschieht mit dem anfallenden Abfall? Das abgereicherte Uran wird als einfaches Wirtschaftsgut deklariert, in Züge verladen und unter zweifelhaften Bedingungen in Russland endgelagert. Die deutschen Energiekonzerne stellen derweil munter Anträge auf Laufzeitverlängerungen der AKWs. Trotz klarer Rechtslage werden sie von der CDU/CSU und der FDP unterstützt. Der Gipfel des Zynismus: Sie alle behaupten, Atomkraft würde das Klima retten. Tatsache ist: Die Atomkraft ist eine Gelddruckmaschine mit gefährlichen Nebenwirkungen. Atomstrom blockiert den Ausbau der erneuerbaren Energien. Aber ich sage Ihnen: Der Anteil von Strom aus Wind, Sonne und Bioenergie wächst stetig und wird den Atomstrom kurzfristig ersetzen.

Zum Antrag der Grünen: Natürlich macht es Sinn, die Bundeseinrichtungen auf Strom ohne Atom umzustellen, Ökostrom zu beziehen. Auch für den Verbraucher gibt es eine einfache Möglichkeit, Atommeiler überflüssig zu machen: Ich verweise auf die Kampagne der Umweltverbände auf www.atomausstieg-selber-machen.de. Laut Ihrem Antrag soll der Bund die Stromverträge mit den Energieversorgungsmonopolunternehmen aufkündigen. Wenn das möglich ist, Herr Fell, dann frage ich Sie: Warum haben Sie das nicht schon in Ihrer Regierungszeit veranlasst?

(Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jürgen Trittin hat es doch gemacht! Er hat es doch durchgeboxt!)

Und wen meinen Sie mit Tochterunternehmen? Vielleicht die Stadtwerke?

Die Linke wird sich bei den Anträgen enthalten. Wir können mit Blick auf die realen Gefahren der Atomenergie nicht warten, bis der Ausstieg gemäß dem Atomkonsens vollzogen ist. Wir wollen ‑ und das ist möglich ‑, dass das Aus für die Atomkraftwerke früher kommt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)