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Menschen demonstrieren für Nahrungsmittelsicherheit. Bild: Flickr.com/Campact (CC BY-NC 2.0)Foto: Flickr.com/Campact (CC BY-NC 2.0)

Zivilgesellschaft ist gemeinnützig!

Positionspapier,

Eine streitbare und politisch engagierte Zivilgesellschaft ist eine Grundvoraussetzung einer funktions- und innovationsfähigen Demokratie. Die Mitwirkung der Zivilgesellschaft an der politischen Meinungsbildung ist daher ein unabdingbares Element moderner Demokratie und daher aus sich heraus ein Beitrag zum Wohle des Gemeinwesens. Zivilgesellschaft ist – solange sie sich in ihren Mitteln und Positionen im Rahmen des Grundgesetzes bewegt – daher unbedingt als gemeinnützig anzusehen.

Kurzposition

Arbeitskreis III »Wirtschaft und Finanzen«

Beschluss vom 24. November 2020

Verantwortlicher Abgeordneter: Jörg Cezanne
Mitglied im Finanzausschuss und Verkehrsausschuss

Eine streitbare und politisch engagierte Zivilgesellschaft ist eine Grundvoraussetzung einer funktions- und innovationsfähigen Demokratie. Die Mitwirkung der Zivilgesellschaft an der politischen Meinungsbildung ist daher ein unabdingbares Element moderner Demokratie und daher aus sich heraus ein Beitrag zum Wohle des Gemeinwesens. Zivilgesellschaft ist – solange sie sich in ihren Mitteln und Positionen im Rahmen des Grundgesetzes bewegt – daher unbedingt als gemeinnützig anzusehen. Der Staat misst dabei allerdings mit zweierlei Maß. So haben die Finanzämter in den letzten Jahren mehreren progressiven und regierungskritischen Vereinen wie Attac, Campact und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) die Gemeinnützigkeit entzogen. Die „Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik“, ein Verein der Rüstungslobby zur „bestmöglichen Ausrüstung der Bundeswehr“, wird hingegen weiterhin als gemeinnützig anerkannt.

Wir erklären uns solidarisch mit diversen Bündnissen und Initiativen der Zivilgesellschaft, die sich für das Recht auf Mitwirkung an der politischen Willensbildung im Rahmen der Gemeinnützigkeit einsetzen (z.B. www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de, www.stiftungen.orgwww.buendnis-gemeinnuetzigkeit.org u.a.) und begrüßen sehr, dass dazu in den vergangenen Wochen nochmals sehr viel mobilisiert worden ist.

Um den fatalen Folgen des Attac-Urteils des Bundesgerichtshofs vom Februar 2019 zu begegnen, muss der Gesetzgeber umgehend Rechtssicherheit darüber schaffen, dass eine Beteiligung von gemeinnützigen Vereinen an der politischen Willensbildung weiterhin ausdrücklich erwünscht ist (vgl. Antrag der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag: „Zivilgesellschaft ist gemeinnützig“ 19/15465). Gleichzeitig ist auszuschließen, dass gemeinnützige Vereine als Vehikel für verdeckte Parteienfinanzierung benutzt werden können.

Bundesfinanzminister Scholz kündigt seit mehr als zwei Jahren einen Gesetzentwurf zur Reform des Gemeinnützigkeitsrechts an, aber bis heute liegt kein stimmiges Konzept – geschweige denn ein großer Wurf – vor. Die gröbsten Fehlentwicklungen im Gemeinnützigkeitsrecht müssen daher jetzt im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 korrigiert werden.

Die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag fordert daher eine Reform der Abgabenordnung:

  1. Zusätzlich zum bestehenden Katalog sind folgende Zwecke als gemeinnützig aufzunehmen: die Förderung
    1. der Menschenrechte und Grundrechte
    2. des Friedens
    3. des Klimaschutzes
    4. der sozialen Gerechtigkeit
    5. der informationellen Selbstbestimmung und
    6. der Gleichstellung aller Geschlechter.
  2. Die Mitwirkung an der politischen Willensbildung muss ausdrücklich als unschädlich für die Gemeinnützigkeit benannt werden.
    1. Das gilt sowohl für Vereine, deren Tätigkeit vornehmlich in der Mitwirkung an der politischen Willensbildung besteht, weil ihr gemeinnütziges Vereinsziel (z.B. Umweltschutz, Menschenrechte, Frieden, soziale Gerechtigkeit etc.) nur durch eben diese Mitwirkung überhaupt zu verwirklichen ist.
    2. Das gilt aber auch für Vereine, die sich neben ihrem gemeinnützigen Zweck (z.B. der Förderung des Sports oder der Kleintierzucht) in nachrangigem Umfange an der politischen Willensbildung beteiligen (z.B. der Sportverein, der einen Aufruf gegen Rassismus unterzeichnet).
  3. Die alleinige Einschätzung einer Verfassungsschutzbehörde des Bundes oder der Länder, dass ein Verein als „extremistisch“ oder „extremistisch beeinflusst“ anzusehen sei, darf nicht länger automatisch zu einem Entzug der Gemeinnützigkeit führen. Dazu ist § 51 Absatz 3 Satz 2 der Abgabenordnung zu streichen. Die LINKE hat im März 2020 (nicht zum ersten Mal) einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht (Drucksache 19/17752). Angesichts erstarkenden Rechtsextremismus dürfen Vereine, die Grund- und Menschenrechte oder die Demokratie in Frage stellen, selbstverständlich nicht gemeinnützig sein bzw. müssen die Gemeinnützigkeit aberkannt bekommen. Zur entsprechenden Begründung müssen sich die Finanzämter aber auf rechtssichere und überprüfbare Quellen (z.B. öffentlich zugängliche Informationen, Dokumente der Vereine selbst, polizeiliche Anzeigen und Gerichtsverfahren (z.B. wegen Volksverhetzung etc.) etc.) stützen.